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Juni
BGH: Grundpreis muss auch weiterhin „in unmittelbarer Nähe“ des Gesamtpreises angegeben werden
Bei Waren, die nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche angeboten werden, besteht eine Pflicht zur Angabe des sog. Grundpreises (Preis je Mengeneinheit einer Ware einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile). Der BGH hat nun entschieden, dass der Grundpreis auch nach der Novellierung der Preisangabenverordnung mit Wirkung zum 28.05.2022 „in unmittelbarer Nähe“ des Gesamtpreises angegeben werden muss (Urt. v. 19.05.2022, Az. I ZR 69/21 – Grundpreisangabe im Internet).
Bisherige Rechtslage
Nach der bis zum 27.05.2022 geltenden Rechtslage musste der Grundpreis gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV a.F. „in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises“ angegeben werden. Dies setzte nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH voraus, dass beide Preise „auf einen Blick“ wahrgenommen werden können (Urt. v. 26.02.2009, Az. I ZR 163/09 – Dr. Clauder’s Hufpflege).
Das Erfordernis der „unmittelbaren Nähe“ von Gesamtpreis und Grundpreis hat in der europäischen Preisangabenrichtlinie (RL 98/6/EG), die der Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV a.F. zugrunde liegt, keine Entsprechung. Die Richtlinie sieht in Art. 4 Abs. 1 S. 1 lediglich vor, dass der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein“ müssen. Eine explizite Verpflichtung, den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben, sieht die Richtlinie dagegen nicht vor.
Verschiedene Instanzgerichte sind deshalb in der Vergangenheit davon ausgegangen, dass das Kriterium der „unmittelbaren Nähe“ über die Mindestanforderungen der Preisangabenrichtlinie hinausgehe und die Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV a.F. deshalb richtlinienkonform dahin auszulegen sei, dass dieses Kriterium nicht zu berücksichtigen sei (u.a. OLG Hamburg, Beschl. v. 22.04.2020, Az. 3 U 154/19). Andere Gerichte haben die Vorschrift weiterhin für anwendbar gehalten. Der BGH hatte sich zu dieser Streitfrage bislang nicht eindeutig positioniert.
Novellierung der PAngV zum 28.05.2022
Mit Wirkung zum 28.05.2022 wurde die Preisangabenverordnung novelliert. Nach der aktuell geltenden Regelung des § 4 Abs. 1 S. 1 PAngV n.F. muss „neben dem Gesamtpreis“ auch der Grundpreis „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar“ angegeben werden. Letzteres entspricht den europarechtlichen Vorgaben der Preisangabenrichtlinie. Das Kriterium der „unmittelbaren Nähe“ findet sich in § 4 Abs. 1 S. 1 PAngV nicht mehr. In der Regierungsbegründung zur Novellierung der PAngV heißt es allerdings, die Vorgabe einer „guten Erkennbarkeit“ sei so auszulegen, dass Gesamtpreis und Grundpreis auch weiterhin „auf einen Blick“ wahrnehmbar sein müssen (BR-Drucks. 669/21, S. 30). Es war daher ungeklärt, ob der Grundpreis auch nach der Novellierung der PAngV derart angegeben werden muss, dass Verbraucher in der Lage sind, Gesamtpreis und Grundpreis „auf einen Blick“ wahrzunehmen.
Entscheidung des BGH
Der BGH hat nunmehr entschieden, dass der Grundpreis nicht schon dann „klar erkennbar“ ist, wenn er für sich genommen deutlich wahrnehmbar ist, sondern nur dann, wenn er derart in unmittelbarer Nähe des Verkaufspreises steht, dass er zusammen mit diesem „auf einen Blick“ wahrgenommen werden kann.
Die alte Regelung in § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV a.F. geht nach Auffassung des BGH nicht über die Anforderungen der Preisangabenrichtlinie hinaus. Der nationale Verordnungsgeber habe, so der BGH, die europarechtlichen Vorgaben lediglich in zulässiger Weise dahin konkretisiert, dass der Grundpreis „in unmittelbarer Nähe“ des Gesamtpreises anzugeben sei, weil damit Ziel und Zweck der Preisangabenrichtlinie – Beurteilung von Preisen und Erleichterung von Preisvergleichen durch die Verbraucher – vollständig erreicht würden.
In den Urteilsgründen hat der BGH ausdrücklich klargestellt, dass dies auch für die seit dem 28.05.2022 geltende Regelung in § 4 Abs. 1 S. 1 PAngV n.F. gilt. Diese enthalte zwar nicht mehr das Erfordernis einer Grundpreisangabe „in unmittelbarer Nähe“ des Gesamtpreises. Allerdings sei erforderlich, dass der Grundpreis „neben“ dem Gesamtpreis genannt werde, was nicht nur im Sinne von „zusätzlich“, sondern darüber hinaus im Sinne von „nebeneinander“ verstanden werden könne. Außerdem sei in der Neuregelung das sich zuvor aus § 1 Abs. 7 S. 2 PAngV a.F. ergebende Gebot eingefügt, dass der Grundpreis „klar erkennbar“ sein müsse Dies sei unter Berücksichtigung des Zwecks der Preisangabenrichtlinie, Verbrauchern auf einfachste Weise optimale Möglichkeiten zu bieten, Preise von Erzeugnissen zu beurteilen und miteinander zu vergleichen, dahin zu verstehen, dass Gesamtpreis und Grundpreis auch weiterhin „auf einen Blick“ wahrnehmbar sein müssen.
Konsequenzen
Der BGH hat auch für die aktuell seit dem 28.05.2022 geltende Rechtslage klargestellt, dass der Grundpreis weiterhin „in unmittelbarer Nähe“ zum Gesamtpreis angegeben und zusammen mit dem Verkaufspreis „auf einen Blick“ wahrgenommen werden muss. Unmittelbare Nähe ist dabei so zu verstehen sein, dass zwischen beiden Preisangaben allenfalls ein geringer Abstand bestehen darf, um eine Unterrichtung der Verbraucher und Preisvergleiche nicht zu erschweren.
Nach der Entscheidung des BGH handelt es sich bei Verpflichtung, den Grundpreis in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis anzugeben, um eine „wesentliche Information“, sodass eine Zuwiderhandlung einen Wettbewerbsverstoß im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG n.F. begründet.
Ergänzend zu berücksichtigen ist, dass die Mengeneinheit für den Grundpreis nach der Novellierung der PAngV grundsätzlich jeweils 1 Kilogramm, 1 Liter, 1 Kubikmeter, 1 Meter oder 1 Quadratmeter der Ware ist (§ 5 Abs. 1 S. 1 PAngV n.F.). Die Verwendung der Mengenangaben 100 Gramm oder 100 Milliliter, die bis zum 27.05.2022 nach § 2 Abs. 3 S. 2 PAngV a.F. für Kleingebinde unter 250 Gramm oder Milliliter in Einzelfällen möglich war, ist nicht mehr wettbewerbskonform (Ausnahme: lose Ware gemäß § 5 Abs. 2 PAngV n.F., sofern dies der allgemeinen Verkehrsauffassung entspricht).
Benedikt Frank
frank(a)bock-legal.de