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10
Jul

Bundesgerichtshof: Panoramafreiheit gilt auch für nicht ortsfeste Kunstwerke

Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 27.04.2017, I-ZR 247/15 – AIDA Kussmund) hat im Frühjahr dieses Jahres über einen interessanten Fall zur Panoramafreiheit entschieden.

Sachverhalt
Bei der Klägerin handelt es sich um die Veranstalterin von Kreuzfahrten mit den bekannten „AIDA“-Schiffen. Diese Schiffe sind links und rechts des Bugs mit der recht auffallenden Gestaltung eines Kussmundes verziert:

aida

Die Klägerin hatte dieses Motiv bei einem bildenden Künstler in Auftrag gegeben und sich von diesem das ausschließliche Nutzungsrecht einräumen lassen.

Der Beklagte betreibt eine Internetseite, auf der er Ausflüge bei Landgängen auf Kreuzfahrtreisen in Ägypten anbot. Auf seiner Internetseite stellte er ein Bild dar, auf dem deutlich ein „AIDA“-Schiff mit Kussmund zu sehen ist. Es handelte sich dabei um eine Fotografie, die vom Land aus gemacht wurde.

Die Klägerin macht eine Urheberrechtsverletzung geltend. Die Anfertigung der Fotografie stelle eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigungshandlung dar, die Darstellung im Internet ein öffentliches Zugänglichmachen. Für beides benötige der Beklagte die Zustimmung der Klägerin, die diese jedoch nicht erteilt hatte.

Entscheidung
Die Klage war nicht erfolgreich. Der Bundesgerichtshof bestätigte, wie auch schon die Vorinstanzen, die Klageabweisung. Zwar stelle die Anfertigung einer Fotografie eine urheberrechtlich zustimmungsbedürftige Handlung dar, ebenso wie das öffentliche Zugänglichmachen im Internet. Beides werde aber von der Ausnahmevorschrift der sogenannten Panoramafreiheit erfasst. Nach diesem in § 59 UrhG geregelten Privileg dürfen Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, fotografiert und gefilmt werden, ohne dass dazu die Zustimmung der Urhebers erforderlich ist. Auch dürfen die gemachten Bilder sodann verbreitet und öffentlich wiedergegeben werden.

Die Klägerin berief sich vor allen Dingen darauf, dass die Vorschrift keine Anwendung finde, weil ein Kreuzfahrtschiff sich nicht bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinde, vor allem weil die Verweildauer in einem Hafen immer nur für kurze Zeit sei. Der Bundesgerichtshof erteilte dieser Auffassung jedoch eine Absage. Das Recht der sogenannten Panoramafreiheit sei weit auszulegen. Ein Werk befinde sich im Sinne dieser Vorschrift an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, wenn es von Orten aus, die unter freiem Himmel liegen und für jedermann frei zugänglich sind, wahrgenommen werden kann. Dass das Werk nicht ortsfest sei und sich nacheinander an verschiedenen öffentlichen Orten befinden könne, stehe der Anwendung der Vorschrift nicht entgegen.

Fazit
Das Recht der Panoramafreiheit ist von großer Bedeutung. Zahlreiche Gebäude, die über Alltagsgestaltungen hinausgehen, wie etwa der Berliner Hauptbahnhof, die Elbphilharmonie oder das Gebäude der Europäischen Zentralbank sind urheberrechtlich geschützt. Gleiches gilt für Denkmäler, Skulpturen oder Malereien, die im öffentlichen Raum ausgestellt sind. Urheberrechtlich gesehen stellt bereits jedes Fotografieren eines solchen Werkes eine Vervielfältigungshandlung dar. Ohne das Privileg der Panoramafreiheit wäre es also kaum möglich, solche urheberrechtlich geschützten Werke zu fotografieren, zu malen oder zu filmen. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass das Privileg nur dann eingreift, wenn das Fotografieren oder Filmen von öffentlichen Plätzen aus erfolgt. Der Fotograf darf sich also nicht auf das Privatgrundstück begeben, welches das Bauwerk oder die Skulptur umschließt. Auch darf sich der Fotograf keinerlei Hilfsmittel bedienen. Schon die Verwendung der Trittleiter, um eine bessere Perspektive zu erhalten, macht die Fotografie zustimmungsbedürftig.

Ganz ähnlich hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 19.01.2017, I ZR 242/15) ebenfalls erst kürzlich in einer anderen Sache entschieden. Auch dort konnte auch sich der französische Künstler Thierry Noir nicht erfolgreich dagegen wehren, dass sein Werk „Hommage an die Junge Generation“ auf der sogenannten East Side Gallery, dem Reststück der Berliner Mauer, im Internet für ein Immobilienkonzept verwendet wurde. Der Projektentwickler konnte sich erfolgreich auf die Panoramafreiheit berufen:

pano

Dr. Jan D. Müller-Broich, LL.M.