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17
Mai

Die „Parfummarken“-Entscheidung des BGH

Mit der Entscheidung „Parfummarken“ hat der BGH die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte in Bezug auf Unionsmarkenverletzungen durch Onlineangebote aus dem EU-Ausland drastisch eingeschränkt (Urteil vom 09.11.2017 – I ZR 164/16).

Sachverhalt

Die Klägerin ist ein im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Parfums weltweit tätiges Unternehmen. Die in Italien ansässige Beklagte handelt mit Parfum- und Kosmetikartikeln und betreibt eine Internetseite „www….it“, die u.a. in deutscher Sprache verfügbar ist. Auf der Internetseite der Beklagten werden einzelne Produkte bildlich dargestellt, jedoch ohne Preisangabe und Bestellmöglichkeit. Zugleich werden auf der Internetseite Kontaktinformationen für potentielle Kunden vorgehalten. Über diese Kontaktinformationen wandte sich ein deutsches Unternehmen (D) an die Beklagte, woraufhin es zu einem Vertragsschluss über 150 Parfums kam, die nicht mit der Zustimmung der Klägerin in der EU oder im EWR in den Verkehr gebracht worden waren. D beauftragte eine Spedition, die die Parfums von Italien nach Deutschland transportierte. Die Klägerin sah in dem Verhalten der Beklagten eine Markenrechtsverletzung und geht gegen die Beklagte zum einen aus einer IR-Marke mit Schutz für die Europäische Union sowie aus einer weiteren IR-Marke mit Schutz für Deutschland vor.

 

Entscheidung

Kernstreitpunkt des Rechtsstreits ist die für Unionsmarken bzw. IR-Marken mit Schutz für die EU relevante internationale Zuständigkeitsregelung des Art. 97 Abs. 5 GMV. Hiernach können Klagen auch bei den Gerichten des Mitgliedstaats anhängig gemacht werden, „in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht (…)“.

Bisher galt in der Rechtsprechung, dass die internationale Zuständigkeit begründet ist, wenn ein hinreichender wirtschaftlicher relevanter Inlandsbezugs festzustellen ist, das heißt, wenn z.B. der Internetauftritt Bestellmöglichkeiten im Inland bietet oder sich eine Internetwerbung erkennbar an inländische Verkehrskreise richtet (z.B. deutschsprachiger Internetauftritt).

Der bisherigen Rechtsprechung erteilte der BGH nun eine Absage. Nach Ansicht des BGH ist bei der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach Art. 97 Abs. 5 GMV eine Gesamtwürdigung des Verhaltens vorzunehmen, das heißt, es darf nicht auf jede einzelne Verletzungshandlung abgestellt werden. Bei einer Rechtsstreitigkeit, in denen der Vorwurf verschiedener, in mehreren Mitgliedstaaten begangener Verletzungshandlungen erhoben wird, ist hiernach eine Gesamtwürdigung des Verhaltens vorzunehmen, um den Ort zu bestimmen, an dem die ursprüngliche Verletzungshandlung stattfand.

Bei einem Internetauftritt, selbst in deutscher Sprache, ist der Ort des schadensbegründenden Ereignisses demnach nicht der Ort, an dem die Internetseite abgerufen werden kann, sondern der Ort, an dem der Prozess der Veröffentlichung des Angebots auf der Internetseite in Gang gesetzt worden ist – hier Italien. Auch wurde das Angebot auf Abschluss eines Vertrages von der italienischen Beklagten aus unterbreitet, weshalb auch hier Italien der Ort des schadensbegründenden Ereignisses ist. Die Anwendung der vom BGH postulierten Gesamtbetrachtung hat vorliegend zur Folge, dass eine Klage wegen der Verletzung unionsweiter Rechte ausschließlich in Italien erhoben werden kann.

Interessant ist, dass hinsichtlich der IR-Marke mit Schutz in Deutschland die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bejaht wurde, da sich hier die internationale Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO (Brüssel-Ia-Verordnung) beurteilt und es darauf ankommt, wo „das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“.

 

Fazit

Die Entscheidung des BGH wirkt sich auf zwei Ebenen aus. Zum einen wird man bei der Markenanmeldestrategie verstärkt den Fokus wieder auf nationale Schutzrechte legen müssen, da diese einen effektiveren Rechtsschutz bei grenzüberschreitenden Fällen in der EU gewähren. Zum anderen wird die Möglichkeit von EU-Schutzrechtsinhabern eingeschränkt, gegen im EU-Ausland sitzende Unternehmen vor deutschen Gerichten vorzugehen. Dies ist insbesondere im Lichte von grenzüberschreitenden Onlinehandelsplattformen wie Amazon oder eBay eine starke Einschränkung von EU-Schutzrechten.

 

Lukas Riedel, LL.M.

riedel@bock-legal.de