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Feb
Markenrechtsverletzung durch Modellbezeichnungen
Problemstellung
Um ein bestimmtes Produkt zu individualisieren, sind Modellbezeichnungen weit verbreitet. Jeder kennt aus Prospekten und Katalogen, die regelmäßig in unseren Briefkästen landen, oder im Internet Bezeichnungen wie Ecktischgarnitur „Florenz“ oder Damenpullover „Sabine“. Solche Modellbezeichnungen sind meist einprägsamer als bloße Artikelnummern und daher gerade bei Verbraucherprodukten weit verbreitet, insbesondere für Möbel und Bekleidung.
Für den Handel halten solche Modellbezeichnungen, auch als „Bestellzeichen“ bezeichnet, einige Tücken bereit. Denn bislang ist der Bundesgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung davon ausgegangen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, dass solche Modellbezeichnungen oder Bestellzeichen regelmäßig von den angesprochenen Verkehrskreisen als herkunftshinweisend verstanden werden, gleich einer Marke. Dies hat zur Konsequenz, dass ein Name oder ein Wort, die als Modellbezeichnung verwendet werden, ohne Weiteres geeignet waren, eine eingetragene Marke zu verletzen, und zwar auch dann, wenn diese Modellbezeichnung zusammen mit der eigentlichen Marke des jeweiligen Herstellers verwendet wird, wie dies üblicherweise ja auch der Fall ist. Konsequenz dessen ist, dass Hersteller und Handel, wollen sie auf Nummer sicher gehen, gehalten sind, auch bei Modellbezeichnungen zu recherchieren, ob diese nicht mit älteren Markenrechten kollidieren könnten.
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs „SAM“ und „MO“
Nachdem diese Rechtsprechung für Jahrzehnte weitgehend zementiert schien, hat der Bundesgerichtshof nun sein recht weitreichendes Verständnis von der herkunftshinweisenden Verwendung von Modellbezeichnungen etwas relativiert.
Seiner prominent gewordenen Entscheidung „SAM“ (BGH, Urt. v. 7.3.2019 – I ZR 195/17) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Angegriffen waren Hosen der bekannten Marke „Brax“. Ein Onlinehändler bot in seinem Onlineshop eine Jeans unter dem Angebotstitel „EUREX BY Brax“ an. Im Beschreibungstext zu dem Angebot fand sich die Angabe „Modell: Sam“:
Dagegen wandte sich die Inhaberin einer älteren Marke „SAM“ und macht u.a. Unterlassung und Schadensersatz geltend.
In der zweiten Entscheidung „MO“ (BGH, Urt. v. 11.4.2019 – I ZR 108/18) war beklagt die Internethändlerin Amazon. Die Inhaberin einer ebenfalls für Bekleidungsstücke geschützten Marke „MO“ griff die Bezeichnung „Bench Damen Hose MO“ in der Produktbeschreibung für eine Damenhose der gerade bei jüngeren Leuten recht bekannten Marke „Bench“ an.
Die jeweiligen Markeninhaber hatten in der 1. und 2. Instanz vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main noch Erfolg, die auf der Grundlage der älteren BGH-Rechtsprechung jeweils eine Verletzung annahmen. Der Bundesgerichtshof wies die Sachen jeweils zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Oberlandesgericht zurück.
Der Bundesgerichthof bekräftigt zunächst noch einmal, dass es darauf ankommt, ob die Modellbezeichnung kennzeichenmäßig verwendet wird, d.h. ob der Verkehr in der Modellbezeichnung einen Herkunftshinweis sehen könnte. Dazu bildet der BGH Fallgruppen:
- Modellbezeichnung ist bekannt: Handelt es sich bei der Modellbezeichnung um eine bekannte Bezeichnung, wie beispielsweise das Modell „501“ für Jeans der Marke „Levis“ oder „Billy“ für Regale des Herstellers „IKEA“, so sei regelmäßig davon auszugehen, dass der Verkehr dies als Herkunftshinweis verstehe.
- Anbringung unmittelbar am Produkt: Werde bei Bekleidungsstücken die Bezeichnung direkt an dem Bekleidungsstück angebracht, etwa durch Einnähen im Bund oder außen auf einem angenähten Lederstück, so stelle dies ebenfalls regelmäßig eine herkunftshinweisende Verwendung dar.
- Aufdruck auf Hangtags: Auch der Aufdruck der Modellbezeichnung auf an den Hosen befestigten Verkaufsetiketten, sog. Hangtags, könne „je nach den Umständen“ ebenfalls als Herkunftshinweis verstanden werden.
- Benutzung im Verkaufsangebot: Wird eine Modellbezeichnung lediglich in Verkaufsangeboten, in Katalogen oder im Internet verwendet, komme es stets auf die ganz konkrete Gestaltung an. Wird die Modellbezeichnung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hersteller- oder Dachmarke verwendet, so könne dies eher als herkunftshinweisend verstanden werden, ebenso wie die prominente Herausstellung. Erfolgt die Verwendung eher an einer unauffälligen Stelle in der Angebotsbeschreibung, spreche dies eher gegen eine herkunftshinweisende Verwendung. Auch kann es auf die Reihenfolge der Nennung ankommen.
- Vornamen: Besonders beliebt als Modellbezeichnung sind gerade bei Bekleidungsstücken Vornamen. Für Vornamen gelte grundsätzlich keine Besonderheit, auch diese könnten herkunftshinweisend verstanden werden; anderes könnte aber gelten, wenn es sich um besonders häufig vorkommende Vorname handele: Diese könnten eher als reine Modellbezeichnungen ohne Herkunftshinweis verstanden werden.
Fazit: Der Einzelfall zählt
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zeigt, dass nach wie vor besondere Vorsicht bei der Verwendung von Modellbezeichnungen, Bestellzeichen und Serienbezeichnungen geboten ist, da diese weiterhin potenziell geeignet sind, bestehende Markenrechte zu verletzen. Gleichzeitig zeigt die Rechtsprechung, dass es immer auch auf den konkreten Einzelfall ankommt, wie eine solche Modellbezeichnung verwendet wird. Die Tendenz ist dabei eindeutig: Werden die Modellbezeichnungen unmittelbar mit dem Produkt verbunden, so wird im Regelfall von einer markenmäßigen Verwendung auszugehen sein. Geht es lediglich um die Verwendung in der Werbung, muss zwingend darauf geachtet werden, dass dies nur in untergeordneter Stellung erfolgt. Jede prominente Herausstellung der Modellbezeichnung kann als Herkunftshinweis und damit als markenmäßige Verwendung aufgefasst werden.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Urt. v. 1.10.2019 – 6 U 111/16) hat nach Zurückverweisung der Sache „SAM“ die Klage schließlich doch abgewiesen, dies wegen der untergeordneten Verwendung lediglich in der Beschreibung zur betroffenen Hose. Ebenfalls im Nachgang zu der BGH-Rechtsprechung hat das OLG Hamburg (Urt. v. 28.11.2019 – 5 U 65/18) keine Verletzung der Marke „Isha“ in der Angebotsüberschrift „Chiemsee Damen Kleid Rock Isha“ erkannt, dies wegen der besonderen Stellung der Herstellermarke „Chiemsee“ am Anfang und des Wortes „Isha“ am Ende der Wortfolge.
Dr. Jan D. Müller-Broich, LL.M.