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Dez.
„Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ in Kraft – weitreichende Änderungen im Wettbewerbsrecht
Das lang erwartete „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ wurde am 01.12.2020 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl I S. 2568) und ist in wesentlichen Teilen am 02.12.2020 in Kraft getreten. Das Gesetz sieht zum Zwecke des besseren Schutzes vor rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen weitreichende Änderungen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vor.
Zu erwähnen sind insbesondere die Einschränkung der Anspruchsberechtigung von Mitbewerbern und Verbänden, die Normierung verpflichtender inhaltlicher Anforderungen für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen, die Verschärfung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Aufwendungsersatz, die Konkretisierung der Anforderungen an eine angemessene Vertragsstrafe, die Kodifikation der Fallgruppen des Rechtsmissbrauchs und die weitgehende Einschränkung des „fliegenden Gerichtsstandes“.
Wir haben die aus unserer Sicht wichtigsten Änderungen im UWG für Sie zusammengefasst.
- Einschränkung der Anspruchsberechtigung von Mitbewerbern
- Einschränkung der Anspruchsberechtigung von Wirtschaftsverbänden
- Festlegung des verpflichtenden Inhalts von Abmahnungen
- Anspruch des Abgemahnten auf Kostenerstattung
- Ausschluss des Anspruchs auf Aufwendungsersatz bei bestimmten Verstößen
- Konkretisierung der Anforderungen für eine angemessene Vertragsstrafe
- Kodifikation der Fallgruppen des Rechtsmissbrauchs
- Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes
- Zusammenfassende Bewertung
1. Einschränkung der Anspruchsberechtigung von Mitbewerbern
Aktivlegitimiert sind zukünftig nur noch solche Mitbewerber, die Waren oder Dienstleistungen „in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich“ vertreiben oder nachfragen (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG).
Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 19/12084, S. 26) sollen keine zu hohen Hürden an den Nachweis des Umfangs und der Dauer der Geschäftstätigkeit gestellt werden. Der Mitbewerber muss hierzu aber substantiiert vortragen und Umfang und Dauer der geschäftlichen Betätigung im Streitfall durch Größenkategorien der Zahl der Verkäufe oder ähnliche Beweismittel belegen. Konkrete Umsatzzahlen oder eine Steuerberaterbescheinigung müssen nach der Begründung des Gesetzes nicht vorgelegt werden. Spricht ein Mitbewerber eine größere Anzahl von Abmahnungen aus, muss der Umfang der geschäftlichen Tätigkeit nach der Gesetzesbegründung umso größer sein, was allerdings keinen Niederschlag im Gesetzeswortlaut der Anspruchsberechtigung gefunden hat (wohl aber beim Rechtsmissbrauch, vgl. § 8c Abs. 2 Nr. 2 UWG). Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte mit diesen neuen Anforderungen im Einzelfall umgehen werden.
Wichtig ist insbesondere die Klarstellung in der Gesetzesbegründung, dass es für die Anspruchsberechtigung nicht ausreicht, wenn Mitbewerber Waren oder Dienstleistungen lediglich „anbieten“ und nicht tatsächlich vertreiben oder nachfragen. Dies korrespondiert mit dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, der explizit einen Vertrieb oder eine Nachfrage (gemeint ist im Falle des Nachfragewettbewerbs wohl: eine Abnahme) von Waren oder Dienstleistungen voraussetzt.
Wenn die für das konkrete Wettbewerbsverhältnis zu einem Konkurrenten maßgeblichen Waren oder Dienstleistungen von einem Mitbewerber lediglich in geringen Mengen und kürzeren Zeiträumen vertrieben werden, dürfte es diesem Mitbewerber zukünftig schwerfallen, eine Anspruchsberechtigung darzulegen und im Streitfall nachzuweisen. Nicht unproblematisch erscheint zudem, dass sich neue Mitbewerber wie Start-Ups, die ihre Geschäftstätigkeit auf dem Markt gerade aufgenommen haben, auf eine Anspruchsberechtigung nach der Gesetzesbegründung nur „in Ausnahmefällen“ berufen können sollen (BT-Drucks 19/12084, S. 26). Dies könnte dazu führen, dass neue Mitbewerber Verstöße von etablierten Konkurrenten nicht mehr über das Wettbewerbsrecht verfolgen können, sodass diesen Unternehmen lediglich Ansprüche nach §§ 823 ff. BGB verbleiben, was der Gesetzgeber im Hinblick auf die Ziele des Gesetzes bewusst in Kauf nimmt.
Die Änderungen bei der wettbewerbsrechtlichen Anspruchsberechtigung von Mitbewerbern treten nach Art. 9 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes (BGBl I S. 2568, 2574) erst am 01.12.2021 in Kraft.
2. Einschränkung der Anspruchsberechtigung von Wirtschaftsverbänden
Die Voraussetzungen für die Anspruchsberechtigung von Wirtschaftsverbänden gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG werden ebenfalls verschärft. Wirtschaftsverbände müssen zukünftig in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragen sein.
Die Anspruchsberechtigung der Wirtschaftsverbände wird an diejenige der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG angeglichen, die ebenfalls in eine vom Bundesamt für Justiz geführte Liste (§ 4 UKlaG) eingetragen sein müssen. Damit wird auf Beschwerden reagiert, dass bestimmte „Abmahnvereine“ in der Vergangenheit ihre wettbewerbsrechtliche Anspruchsberechtigung rechtsmissbräuchlich geltend gemacht haben.
§8b Abs. 2 UWG sieht verschiedene Voraussetzungen für die Eintragung in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände vor. Erforderlich ist zunächst, dass der Wirtschaftsverband nach seinen satzungsmäßigen Aufgaben nicht nur wie bisher gewerbliche oder selbständige berufliche Interessen verfolgt und fördert, sondern auch in konkreten Einzelfällen zu wettbewerbsrechtlichen Fragestellungen berät und informiert. Nicht ausreichend ist nach der Gesetzesbegründung, wenn der Verband lediglich auf einer Internetseite Informationen bereitstellt oder Flyer und Broschüren zu veröffentlicht (BT-Drucks 19/12084, S. 28). Die Eintragung in diese Liste setzt zudem – unter anderem – voraus, dass der Wirtschaftsverband seine Ansprüche nicht „vorwiegend“ geltend macht, um für sich Einnahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen zu erzielen. Die Bemessung des Mitgliedsbeitrags für die Mitgliedsunternehmen muss den Verband nach der Gesetzesbegründung in die Lage versetzen, satzungsgemäß tätig zu werden, und darf daher nicht so niedrig bemessen sein, dass der Betrag für die Finanzierung des Verbandes unerheblich ist. Ferner setzt die Eintragung voraus, dass der Verband seinen Mitgliedern keine Zuwendungen aus dem Verbandsvermögen gewährt und Personen, die für den Verband tätig sind, nicht durch unangemessen hohe Vergütungen begünstigt werden. Diese verschärften Anforderungen dürften für einige Transparenz in der satzungsmäßigen Tätigkeit und Finanzierung der Verbände sorgen.
Ob die bekannten „Abmahnvereine“ in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen werden, wird auch von Umfang und Sorgfalt bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 8b Abs. 2 UWG durch das Bundesamt für Justiz abhängen. Von Wirtschaftsverbänden in Anspruch genommene Unternehmen können gegebenenfalls über Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) Akteneinsicht in die beim Bundesamt für Justiz geführten Akten oder Informationszugang beantragen, um das Eintragungsverfahren von Verbänden zu überprüfen.
Auch die Änderungen in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG treten nach Art. 9 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes (BGBl I S. 2568, 2574) erst am 01.12.2021 in Kraft. Die verschärften Voraussetzungen für die Anspruchsberechtigung von Wirtschaftsverbänden sind zudem nach der Überleitungsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG nicht auf Verfahren anzuwenden, die am 01.09.2021 bereits rechtshängig sind.
3. Festlegung des verpflichtenden Inhalts von Abmahnungen
§13 Abs. 2 UWG begründet erstmals konkrete gesetzliche Pflichten an den Inhalt von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen. Eine ähnliche Vorschrift existiert mit § 97a Abs. 2 UrhG bereits im Urheberrecht.
Die Inhalte des § 13 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 5 UWG müssen in der Abmahnung „klar und verständlich“ angegeben werden. Selbstverständlich ist, dass in der Abmahnung Name bzw. Firma des Abmahnenden sowie des Vertreters wie etwa des Rechtsanwalts oder der Kanzlei des Abmahnenden angegeben werden (Nr. 1). Zudem muss zu den Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG vorgetragen werden (Nr. 2). Mitbewerber müssen also zukünftig auch darlegen, dass sie Waren oder Dienstleistungen „in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich“ vertreiben oder nachfragen (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG in der ab dem 01.12.2021 geltenden Fassung). Weiter muss der Abmahnende darlegen, ob und wenn ja in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet (Nr. 3). Außerdem ist die Bezeichnung der Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände erforderlich (Nr. 4). Der Abgemahnte soll aus der Abmahnung ohne weiteres ersehen können, welches ganz konkrete Verhalten ihm vorgeworfen wird und warum dieses zu einer Rechtsverletzung führt (BT-Drucks 19/12084, S. 31). Ferner verlangt § 13 Abs. 2 Nr. 5 UWG in einem Fall des § 13 Abs. 4 UWG (Verletzung von gesetzlichen Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien oder Datenschutzverstöße von Unternehmen oder Vereinen mit in der Regel weniger als 250 Mitarbeitern) einen Hinweis darauf, dass der Anspruch auf Aufwendungsersatz ausgeschlossen ist.
§13 Abs. 3 UWG ersetzt als Anspruchsgrundlage für den Anspruch auf Aufwendungsersatz § 12 Abs. 1 S. 2 UWG a.F. Voraussetzung für den Anspruch ist, dass die Abmahnung berechtigt ist und sämtlichen inhaltlichen Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG entspricht. Wenn sämtliche der Pflichtangaben des § 13 Abs. 2 UWG nicht klar und verständlich angegeben werden, entfällt nicht nur der Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß § 13 Abs. 3 UWG, sondern es besteht auch ein Gegenanspruch des Abgemahnten nach § 13 Abs. 5 UWG.
4. Anspruch des Abgemahnten auf Kostenerstattung
Soweit die Abmahnung unberechtigt ist, nicht in klarer und verständlicher Weise den inhaltlichen Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG entspricht oder entgegen § 13 Abs. 4 UWG ein Anspruch auf Aufwendungsersatz geltend gemacht wird, hat der Abgemahnte gegen den Abmahnenden einen Gegenanspruch auf Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen (13 Abs. 5 S. 1 UWG).
Da es für den Anspruch aus § 13 Abs. 5 S. 1 UWG ausreicht, dass die Abmahnung materiell-rechtlich unberechtigt ist, wird im Wettbewerbsrecht ein Gegenanspruch eingeführt, der dem Abgemahnten bislang nur in Fällen der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung etwa im Markenrecht zur Verfügung stand. Zudem können lediglich formale Verstöße gegen § 13 Abs. 2 UWG zu Gegenansprüchen des Abgemahnten führen, selbst wenn die Abmahnung materiell-rechtlich begründet ist. Ein Gegenanspruch des Abgemahnten besteht zudem dann, wenn der Abmahnende die Erstattung von Kosten verlangt, obwohl ein solcher Anspruch nach § 13 Abs. 4 UWG ausgeschlossen ist (bei Verletzung von gesetzlichen Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien sowie Datenschutzverstößen von Unternehmen oder Vereinen mit in der Regel weniger als 250 Mitarbeitern). Auch wegen dieses Gegenanspruchs aus § 13 Abs. 5 UWG sind Abmahnende zukünftig gehalten, die inhaltlichen Pflichtangaben für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen aus § 13 Abs. 2 UWG sorgfältig zu prüfen und einzuhalten.
Der Gegenanspruch ist nach § 13 Abs. 5 S. 2 UWG beschränkt auf die Abmahnkosten, die der Abmahnende geltend macht. Im Falle einer unberechtigten Abmahnung ist der Gegenanspruch ausgeschlossen, wenn die fehlende Berechtigung für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar war (§ 13 Abs. 5 S. 3 UWG). Nach der Gesetzesbegründung soll es darauf ankommen, ob objektiv erkennbar war, dass die Abmahnung unberechtigt war. Der Ausschluss des Anspruchs soll voraussetzen, dass kein Verschulden des Abmahnenden vorliegt (BT-Drucks 19/12084, S. 33). Letztlich bedeutet dies, dass bei dem Gegenanspruch infolge unberechtigter Abmahnung häufig eine Verschuldensprüfung erforderlich ist. Zum Umfang der Sorgfaltspflichten des Abmahnenden gerade bei eilbedürftigen Abmahnungen enthält die Gesetzesbegründung keine weiterführenden Hinweise. Insoweit muss die weitere Entwicklung in der Rechtsprechung abgewartet werden.
5. Ausschluss des Anspruchs auf Aufwendungsersatz bei bestimmten Verstößen
In bestimmten Fällen können Mitbewerber vom Abgemahnten keine Erstattung ihrer Aufwendungen verlangen (§ 13 Abs. 4 UWG).
Das betrifft einerseits Fälle der Verletzung von gesetzlichen Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien. In der Gesetzesbegründung sind insoweit beispielhaft Verstöße gegen die Impressumspflicht (§ 5 TMG), Informationspflichten in Fernabsatzverträgen nach § 312d BGB, die Pflicht zur Widerrufsbelehrung und die Preisangabenverordnung erwähnt (BT-Drucks 19/12084, S. 33). Es muss sich hiernach nicht um spezifische Informations- und Kennzeichnungspflichten im Online-Handel oder auf Webseiten handeln, sondern es soll ausreichen, dass die Verstöße in diesem Bereich auftreten. Welche weitere Informations- und Kennzeichnungspflichten über die in der Begründung des Gesetzes erwähnten Fälle hinaus von § 13 Abs. 4 UWG erfasst sind, wird durch die Rechtsprechung geklärt werden müssen. „Warnhinweise“ sollen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht unter die Vorschrift fallen. Der Wortlaut der Vorschrift reicht sehr weit, die Gesetzesbegründung ist nicht sonderlich erhellend. Denkbar erscheint, dass der Anspruch auf Aufwendungsersatz neben den in der Gesetzesbegründung erwähnten Fällen zum Beispiel auch bei Verstößen im Zusammenhang mit den Bedingungen der Inanspruchnahme von Verkaufsfördermaßnahmen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 TMG) oder Teilnahmebedingungen von Preisausschreiben oder Gewinnspielen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 TMG) ausgeschlossen ist. Ferner könnte man in diesem Zusammenhang auch an Kennzeichnungs- und Informationspflichten bei Lebensmitteln, Kosmetika und Arzneimitteln sowie die ebenfalls verhältnismäßig häufig verfolgten Verstöße gegen die Pflichten zur Energieverbrauchskennzeichnung denken.
Ebenso ausgeschlossen ist der Anspruch auf Aufwendungsersatz bei Datenschutzverstößen von Unternehmen oder Vereinen mit in der Regel weniger als 250 Mitarbeitern. Nach der vom Bundestag angenommenen Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz soll mit der Erwähnung von Datenschutzverstößen in § 13 Abs. 4 UWG keine Vorentscheidung über die Frage der Zulässigkeit von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen nach der Datenschutz-Grundverordnung verbunden sein. Vielmehr soll insoweit die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abgewartet werden (BT-Drucks 19/22238, S. 16).
6. Konkretisierung der Anforderungen für eine angemessene Vertragsstrafe
Bei der Festlegung einer angemessenen Vertragsstrafe sind zukünftig die in § 13a Abs. 1 UWG im Einzelnen erwähnten Umstände zu berücksichtigen. Es handelt sich hierbei um eine Kodifikation der bereits bislang in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Grundsätze.
Zu diesen Grundsätzen bei Bestimmung der Vertragsstrafe gehören Art, Ausmaß und Folgen der Zuwiderhandlung (Nr. 1), Art und Schwere des Verschuldens (Nr. 2), Größe, Marktstärke und Wettbewerbsfähigkeit des Abgemahnten (Nr. 3) und das wirtschaftliches Interesse des Abgemahnten an den Verstößen (Nr. 4).
Zugleich hat der Gesetzgeber in § 13a Abs. 2 UWG festgelegt, dass die Vereinbarung einer Vertragsstrafe in bestimmten Fällen – Verletzung von gesetzlichen Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien sowie Datenschutzverstößen – bei einer erstmaligen Abmahnung durch einen Mitbewerber unzulässig ist, sofern der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. Im Übrigen darf eine Vertragsstrafe nach § 13a Abs. 3 UWG eine Höhe von 1.000 Euro nicht überschreiten, wenn die Zuwiderhandlung die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern nur in unerheblichem Maße beeinträchtigt und wenn der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. Ob eine Zuwiderhandlung nach Art, Ausmaß und Folgen die geschützten Interessen in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt, muss anhand des konkreten Einzelfalls bewertet werden.
Neu ist auch die Regelung in § 13a Abs. 4 UWG, wonach der Abgemahnte für den Fall, dass er eine unangemessen hohe Vertragsstrafe versprochen hat, lediglich eine Vertragsstrafe in angemessener Höhe schuldet. Nach § 348 HGB konnte ein Kaufmann bislang, wenn er die Vorschrift nicht vertraglich in seiner Unterlassungserklärung abbedungen hatte, eine vereinbarte Vertragsstrafe nicht nach § 343 BGB herabsetzen, auch wenn sie unangemessen hoch war. Nunmehr ist auch in diesen Fällen stets „nur“ eine angemessene Vertragsstrafe geschuldet, die Notwendigkeit einer Herabsetzung nach § 343 BGB entfällt.
Problematisch erscheint § 13a Abs. 5 UWG: Danach kann der Vertragsstrafeschuldner bei Uneinigkeit über die Höhe der Vertragsstrafe eine Einigungsstelle nach § 15 UWG anrufen, wenn entweder eine Vertragsstrafe vereinbart ist, deren Höhe noch nicht beziffert wurde, oder nach § 13a Abs. 4 UWG eine unangemessen hohe Vertragsstrafe vereinbart wurde. Anders als nach § 15 Abs. 3 UWG ist die Anrufung der Einigungsstelle nicht von der Zustimmung des Gegners abhängig. Unterlassungserklärungen sehen verhältnismäßig häufig den sog. Hamburger Brauch mit Vereinbarung einer unbezifferten Vertragsstrafe vor, da mit der Abgabe einer solchen Erklärung bei einem erstmaligen Verstoß regelmäßig die Wiederholungsgefahr entfällt. Der Vertragsstrafeschuldner hat es daher in der Hand, den Gläubiger nach Abgabe einer unbezifferten strafbewehrten Unterlassungserklärung im Falle eines nachfolgenden Verstoßes vor die Einigungsstelle zu „zwingen“, was zu einer nicht unerheblichen Verzögerung führen kann: Sofern ein Verfahren vor der Einigungsstelle anhängig ist, ist eine erst nach Anrufung der Einigungsstelle erhobene Klage unzulässig (§ 13a Abs. 5 S. 3 UWG). Das Einigungsverfahren muss abgewartet werden. Erst wenn kein Einigungsvergleich zu Stande kommt, kann der Vertragsstrafegläubiger die Vertragsstrafe einklagen.
7. Kodifikation der Fallgruppen des Rechtsmissbrauchs
Im neuen § 8c Abs. 2 UWG hat der Gesetzgeber einen Beispielskatalog von sieben Regelbeispielen vorgesehen, die bei der Geltendmachung des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs einen Rechtsmissbrauch begründen können. Die Vorschrift ersetzt den bislang in § 8 Abs. 4 UWG a.F. verorteten Tatbestand des Rechtsmissbrauchs und übernimmt wesentliche Fallgruppen der hierzu ergangenen, gefestigten Rechtsprechung in das UWG.
Bereits nach der bislang geltenden Gesetzeslage lag ein Rechtsmissbrauch vor, wenn die Geltendmachung eines Anspruchs vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Dies wird in § 8c Abs. 2 Nr. 1 UWG übernommen. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung gehört zu den neu kodifizierten Beispielen die Abmahnung einer erheblichen Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift und das Missverhältnis der Anzahl der geltend gemachten Verstöße zum Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit des Abmahnenden (Nr. 2). Auch ein unangemessen hoher Gegenstandswert (Nr. 3), eine offensichtlich überhöhte Vertragsstrafe (Nr. 4) oder eine offensichtlich zu weit gefasste Unterlassungserklärung (Nr. 5) können einen Rechtsmissbrauch begründen. Mit den Fallgruppen des § 8c Abs. 2 Nr. 6 und 7 UWG – gesonderte Abmahnung mehrerer Zuwiderhandlungen, die zusammen hätten abgemahnt werden können, sowie getrennte Verfolgung mehrerer Rechtsverletzer, die zusammen hätten in Anspruch genommen werden können – wird ebenfalls eine gefestigte, wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung aufgegriffen.
Nach dem Wortlaut von § 8c Abs. 2 UWG ist in den dort im Einzelnen genannten Fällen „im Zweifel“ anzunehmen, dass eine missbräuchliche Geltendmachung von Ansprüchen vorliegt. Die Formulierung „im Zweifel“ könnte nahelegen, dass jedes der aufgeführten Beispiele für sich genommen die Vermutung eines Rechtsmissbrauchs begründen kann. In Einzelfällen ist ein Rechtsmissbrauch auch bei einem isolierten Verstoß gegen einen der Tatbestände des § 8c Abs. 2 UWG denkbar. Allerdings ist nach § 8c Abs. 1 UWG weiterhin eine umfassende Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände erforderlich. Nach der vom Bundestag angenommenen Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz kommt der Erfüllung einer der genannten Fallgruppen lediglich eine „Indizwirkung“ für einen Missbrauch zu, die der Abmahnende entkräften kann (BT-Drucks 19/22238, S. 17). Es handelt sich also nicht um eine gesetzliche Vermutung, die gemäß § 292 ZPO nur durch den Beweis des Gegenteils zu widerlegen wäre. In der Regel wird ein Rechtsmissbrauch erst vorliegen, wenn mehrere Fälle des § 8c Abs. 2 UWG erfüllt sind oder der Anspruchsgegner zu einer Widerlegung der „Indizwirkung“ nicht in der Lage ist.
Da § 8c UWG sich an der bisherigen Rechtsprechung orientiert, steht keine grundlegende Änderung der Rechtsprechung zu erwarten. Es handelt sich nicht um eine Verschärfung der Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs, sondern um eine bloße Kodifikation der tradierten, zu § 8 Abs. 4 UWG a.F. ergangenen Rechtsprechung. Es ist allerdings weiterhin besondere Sorgfalt bei der Anfertigung einer Abmahnung geboten, um dem Anspruchsgegner nicht ohne Grund den Einwand der missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen zu eröffnen. Denn ist bereits die außergerichtliche Geltendmachung des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs als missbräuchlich anzusehen, so führt dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Regel dazu, dass der Unterlassungsanspruch auch gerichtlich nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden kann. Zudem kann der Anspruchsgegner im Fall der missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen nach § 8c Abs. 3 UWG Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen fordern.
8. Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes
Durch das Gesetz wird der fliegende Gerichtsstand bei Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien abgeschafft (§ 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG).
Bislang war es auch in diesen Fällen möglich, einen Wettbewerbsverstoß bei dem Gericht geltend zu machen, in dessen Bezirk der Rechtsverstoß begangen wurde. Da Internetseiten bundesweit abrufbar sind, konnten Verstöße im Internet bei jedem deutschen Landgericht unterbunden werden.
Nach neuer Gesetzeslage richtet sich die örtliche Zuständigkeit des Gerichts bei Rechtsverstößen im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Unterlassungsschuldners. Damit gilt der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung für eine große Zahl an Wettbewerbsverstößen nicht mehr. Bei Rechtsverstößen im elektronischen Rechtsverkehr und in Telemedien ist es demzufolge in der Regel nicht mehr möglich, einstweilige Verfügungen und Klagen bei dem für eine günstige Rechtsprechung oder für eine großzügige Dringlichkeitsfrist bekannten Gericht einzureichen. Eine Ausnahme davon sieht das Gesetz nur für den Fall vor, dass der Beklagte oder Antragsgegner im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat (§ 14 Abs. 2 S. 3 UWG a.E.).
Nach § 14 Abs. 3 UWG können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung für die Bezirke mehrerer Landgerichte, gegebenenfalls auch länderübergreifend, ein zuständiges Gericht für Wettbewerbsstreitsachen bestimmen. Von dieser Zuständigkeitskonzentration in Wettbewerbsstreitsachen haben bislang nur die Bundesländer Sachsen (LG Leipzig und LG Dresden) und Mecklenburg-Vorpommern (LG Rostock) Gebrauch gemacht.
9. Zusammenfassende Bewertung
In welchem Umfang die Änderungen im UWG tatsächlich, entsprechend der Zielsetzung des Gesetzes, zu einem besseren Schutz vor rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen führen, wird sich noch zeigen.
Die Begrenzung der Anspruchsberechtigung von Mitbewerbern und Verbänden ist im Ergebnis zu begrüßen. Sie eröffnen abgemahnten Unternehmen weitere Verteidigungsmöglichkeiten gegen vermeintliche Mitbewerber und „Abmahnvereine“. Die entsprechenden Einschränkungen sind im Grundsatz geeignet, der rechtsmissbräuchlichen Rechtsverfolgung insbesondere von sehr kleinen Unternehmen, gerade im Bereich des Online-Handels, und „Abmahnverbänden“ besser entgegenwirken zu können.
Aufgrund der neuen Pflichtangaben für den Inhalt wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen gemäß § 13 Abs. 2 UWG und der weitreichenden Konsequenzen bei deren Nichteinhaltung ist eine sorgfältige Ausarbeitung eines Abmahnschreibens zwingend geboten. Andernfalls können sich dem Anspruchsgegner Einwendungen gegen eine nicht den inhaltlichen Anforderungen genügende Abmahnung und ein Anspruch auf Kostenerstattung gegen den Abmahnenden eröffnen (§ 13 Abs. 5 UWG). Die Regelung in § 13 Abs. 2 UWG dürfte in Zusammenhang mit dem Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 UWG zu zahlreichen neue Auseinandersetzungen und Rechtsstreitigkeiten führen, in denen es im Wesentlichen darum gehen wir, ob die inhaltlichen Anforderungen der Abmahnung erfüllt sind. Eine Beratung durch einen im Wettbewerbsrecht tätigen Spezialisten ist bei der Ausarbeitung einer Abmahnung in jedem Fall zu empfehlen.
Mit Spannung ist die Konturierung der Rechtsprechung zu den Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten gemäß § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG zu erwarten, bei denen der Anspruch auf Aufwendungsersatz ausgeschlossen ist. Angesichts der aufgrund des weiten Wortlauts und der wenig erhellenden Gesetzesbegründung zahlreichen unterschiedlichen denkbaren Fällen dürfte Rechtssicherheit insoweit erst in einigen Jahren zu erwarten sein.
Die weitgehende Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes ist zu bedauern. Es ist zu hoffen, dass weitere Bundesländer von der nach § 14 Abs. 3 UWG möglichen Zuständigkeitskonzentration Gebrauch machen, um die im Wettbewerbsrecht fachlich versierten Gerichtsstandorte in den einzelnen Bundesländern zu stärken.
Für Fragen zu den einzelnen Bereichen stehen wir natürlich gerne zur Verfügung.
Benedikt Frank