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02
Apr.

Gewerbemiete nach dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie

Die Öffentlichkeit hat sich pandemiebedingt stark zurückgezogen. Gewerbetreibende haben entsprechend massive Umsatzeinbußen zu verzeichnen, sei es aufgrund ausbleibender Kundschaft oder – wie mittlerweile in weiten Teilen – aufgrund zwingender staatlicher Schließungsanordnungen. Dies betrifft insbesondere kleinere Unternehmen, die deshalb mit der Entrichtung ihrer Gewerbemiete in Schwierigkeiten kommen. Mittlerweile kündigen aber zunehmend auch wesentlich größere und wirtschaftlich potentere Unternehmen an, Mietzahlungen (bis auf weiteres) nicht mehr zu leisten. In der Presse wird kolportiert, Konzerne wie Adidas, Deichmann oder H&M hätten die Einstellungen von Mietzahlungen angekündigt. Wie aber ist die Rechtslage tatsächlich?

Kündigungsschutz bei Zahlungsrückständen

 

Das im Eiltempo durch das Gesetzgesetzgebungsverfahren gebrachte und nunmehr beschlossene „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ sieht zumindest einen Kündigungsschutz für Mieter vor. Normalerweise stellen zwei aufeinander folgende Ausfälle der Mietzahlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung dar. Leistet nunmehr ein Mieter von Räumen oder von Grundstücken die in den Monaten April bis Juni 2020 fällige Miete ganz oder teilweise nicht, so darf der Vermieter das Mietverhältnis wegen dieser Rückstände nicht kündigen, wenn sie auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhen. Der Bundesregierung ist vorbehalten, den maßgeblichen Zeitraum bezüglich der Zahlungsrückstände durch Rechtsverordnung bis einschließlich September 2020 zu verlängern. Die Kündigungssperre selbst gilt bis zum 30. Juni 2022. Zahlungsrückstände aus dem genannten Zeitraum können daher bis zum Ende Juni 2022 ausgeglichen werden, danach aber kann der Vermieter eine Kündigung wieder auf sie stützen.

 

Voraussetzungen und Grenzen des Kündigungsschutzes

 

Zu beachten ist zum einen, dass der Mieter den Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung glaubhaft machen muss. Die Nichtzahlung der Miete muss also mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch die Pandemie bedingt sein. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs soll verhindert werden, dass die zu erwartenden negativen wirtschaftlichen Auswirkungen zu einer Kündigung führen, die dem Mieter die Grundlage seiner Erwerbstätigkeit nimmt. Geeignetes Mittel zur Glaubhaftmachung kann im Bereich der Gewerbemiete regelmäßig der Hinweis auf Rechtsverordnungen oder behördliche Verfügungen sein, die den Betrieb des Unternehmens zur Bekämpfung der Pandemie-Ausbreitung untersagen oder erheblich einschränken.

 

Zum anderen ist zu beachten, dass die Kündigungssperre keine Auswirkungen auf die Zahlungspflicht hat. Die Miete ist grundsätzlich termingerecht zu zahlen, dies mit etwaigen anderweitigen Folgen bei Nichtleistung, wie z.B. Verzugszinsen.

 

Entfallen der Zahlungspflicht oder Anspruch auf Vertragsanpassung?

 

Die Frage ist daher nicht zuletzt, inwieweit die Zahlungspflicht als solche entfällt oder zu modifizieren ist. Dies hängt davon ab, ob das Risiko einer Situation wie der eingetretenen vom Vermieter oder Mieter zu tragen ist oder von keiner der beiden Seiten. Im letzteren Fall würden sich die wirtschaftlichen Folgen faktisch auf beide Seiten verteilen bzw. wäre hierfür eine angemessene Lösung zu finden.

 

Die Leistungspflicht des Vermieters bezieht sich auf die Zurverfügungstellung der Mieträume. Ob die Mietzahlungspflicht entfällt, hängt davon ab, ob die Tauglichkeit des Mietobjekts zum vertragsgemäßen Gebrauch aufgehoben ist, und zwar durch einen Umstand, der einen hinreichenden Bezug zum Mietobjekt selbst aufweist. Inwieweit dies bei den flächendeckenden staatlichen Schließungsanordnungen der Fall ist, erscheint unklar. Bei Gewerbemietverträgen ist zwar meistens der Zweck des Gewerbebetriebs mehr oder weniger detailliert vertraglich festgehalten. Je nach Art des Gewerbes kann dieses dann auch unmittelbar durch eine Schließungsanordnung betroffen sein, wie momentan in weiten Teilen der Einzelhandel im Non-Food-Bereich. Das Problem ist aber Folgendes: Der mietvertragliche Verwendungszweck als Anknüpfungspunkt ist grundsätzlich nur eine Zuschreibung, eine Art „Widmung“. Mit dem Mietobjekt als solchem im gegenständlichen oder räumlichen Sinne hat dies weniger zu tun. Der Mieter kann die Räumlichkeiten ja weiterhin nutzen, nur der wirtschaftliche Zweck, den er mit der Nutzung der Räume verfolgt, lässt sich möglicherweise nicht mehr realisieren. Zur Veranschaulichung sei das Beispiel eines vorübergehend leerstehenden Ladenlokals genannt. Oftmals dürfte dies die alleinige Mietsache sein, die der Vermieter zur Verfügung stellt. Ob der Mieter darin entsprechend dem Vertragszweck ein Gewerbe betreibt, dass (nunmehr) von einer Schließungsanordnung betroffen ist oder nicht, hat nicht im engeren Sinne etwas mit dem Mietobjekt zu tun; das Mietobjekt ist ja nicht schadhaft oder ähnliches.

 

Das Geschäftsrisiko hingegen liegt beim Mieter. Es trägt das Risiko, dass sein „Geschäft läuft“ und er damit Umsätze und Gewinn macht und er muss die Miete auch dann weiterzahlen, wenn sich seine wirtschaftlichen Erwartungen nicht erfüllen. Eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage kommt daher nur ausnahmsweise in Betracht, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und nicht (mehr) in den Risikobereich des Mieters fallen. In anderen Rechtsgebieten, namentlich dem Reisevertragsrecht, diskutiert die Rechtsprechung Bereiche, die nicht der Risikosphäre einer der beiden Parteien zuzuordnen sind, Fälle höherer Gewalt, z.B. Krieg, innere Unruhen, Streik, hoheitliche Anordnungen, Naturkatastrophen oder ähnlich schwerwiegende Ereignisse und auch Epidemien. Als charakterisierend wird herausgestellt, dass solche Ereignisse „von außen auf die Lebensverhältnisse der Allgemeinheit oder einer unbestimmten Vielzahl von Personen einwirken“ und „auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt“ nicht abwendbar sind (BGH, Urteil v. 16.05.2017, Az. X ZR 142/15). Es gibt daher gute Argumente, die Pandemie und die damit einhergehenden Folgen, wie z.B. Schließungsanordnungen nicht mehr als geschäftstypisches Risiko des Mieters einzustufen. Inwiefern das auch gilt, wenn eine Öffnung des Betriebs zwar möglich bleibt, aber „nur“ die Kundschaft ausbleibt, ist bereits schwieriger zu beurteilen.

 

Sofern die Geschäftsgrundlage in vorgenanntem Sinne gestört ist, ist für eine (vorübergehende) Anpassung oder Aussetzung der Mietzahlungspflicht maßgeblich, inwieweit dem Mieter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag zugemutet werden kann. Neben der konkreten Vertragsgestaltung wird insbesondere die Art des Gewerbes einen wichtigen Faktor darstellen. Wie schon erwähnt, hat der eine Umsatzrückgänge zu verzeichnen, der andere darf gar nicht mehr öffnen. Oder Unternehmen müssen zwar ihr Filialnetz schließen, können aber möglicherweise den Umsatzwegfall ein Stück weit durch Ausweitung eines integrierten Onlinehandels kompensieren. Und ist nicht z.B. eine Pizzeria, die vergleichsweise einfach Essen zur Abholung anbieten kann, ganz anders zu beurteilen als ein Restaurant, das allein von Gästen vor Ort lebt und seinen Betrieb kaum umstellen kann? Die bei der Beurteilung bestehenden Unwägbarkeiten werden dadurch verstärkt, dass nach jetzigem Stand völlig unklar ist, wie sich die Situation in den kommenden Wochen und Monaten entwickelt. Die Lösung wird daher im Einzelfall zu suchen sein, wobei die ergangene Rechtsprechung zu Konstellationen, soweit sie überhaupt vergleichbar sind, wichtige Anhaltspunkte geben kann.