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Mai
Irreführung durch Werbeaussagen trotz objektiver Richtigkeit
Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Der altbekannte Spruch gilt auch für das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 06.07.2017 – Az. 4 U 163/16 bzw. ließen sich so die Konsequenzen umschreiben, die sich aus der Entscheidung für die Arbeit von Marketingabteilungen und Werbetextern ergeben.
Sachverhalt
Der Kläger, ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen war gegen die Beklagte, eine Versandhändlerin, unter anderem wegen einer Werbung für eine vergoldete Rose vorgegangen. Die Beklagte hatte das Produkt mit der Aussage „24 Karat vergoldet“ beworben. Dies war auch insoweit zutreffend, als die Rosen tatsächlich eine dünne Schicht 24-karätigen Goldes aufwiesen. Die Karat-Angabe beschreibt als Maßeinheit den Feingehalt von Gold, genauer, wie groß der Gewichtsanteil reinen Goldes an der Gesamtmasse einer Goldlegierung ist. 24 Karat sind der höchste Wert.
Entscheidung
Das Oberlandesgericht sah die Werbeaussage als irreführend und damit nach §§ 5, 3 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) unzulässig an. Auch eine objektiv zutreffende Aussage könne irreführend sein, wenn ein beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise damit dennoch eine unrichtige Vorstellung verbinde. So liege auch der entschiedene Fall. Angesichts der nur sehr dünnen Schicht der Vergoldung falle der Gewichtsanteil reinen Goldes wertmäßig nicht ins Gewicht, so dass der Materialwert sehr gering sei und kein nennenswerter Unterschied bestehe zu einer Rose mit nur 1-karätiger Vergoldung. Der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher hingegen erkenne dies nicht. Vielmehr gehe er entsprechend der landläufigen Kenntnis davon aus, dass „24 Karat“ in Bezug auf Gold schlicht eine besondere Hochwertigkeit bedeute. Dafür spreche zudem das allgemeine Sprachverständnis des Adjektivs „hochkarätig“. An dieser Fehlvorstellung ändere sich nichts dadurch, dass sowohl der Ausgangspreis der Rose (99,90 €) als auch der später herabgesetzte Preis (49,99 €) so gering waren, dass der durchschnittlich informierte Verbraucher wisse, dass er für diesen Preis kein Produkt mit einem hohen Goldanteil oder gar ein vollständig goldenes Produkt erwarten könne, sondern nur eine vergoldete Rose mit geringem Goldanteil.
Bei der erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass der Symbolgehalt der Rose das beworbene Produkt in die Nähe von Schmuckstücken rücke. In diesem Kontext sei die Werthaltigkeit für den angesprochenen Verbraucherkreis von besonderer Bedeutung. Insbesondere deshalb gehe das wohlverstandene Interesse der Verbraucher dahin, nicht eine gegenüber gleichwertigen Konkurrenzprodukten höhere Wertigkeit suggeriert zu bekommen, die in Wirklichkeit nicht vorhanden sei. Dem stehe kein schutzwürdiges Interesse des Werbenden gegenüber.
Fazit
Die Entscheidung basiert auf bekannten Rechtsprechungsgrundsätzen, verdeutlicht aber auf sehr plastische Weise, welche Fallstricke bei der Konzeption von Werbeaussagen drohen. Gilt bei werbenden Auslobungen unter Irreführungsgesichtspunkten die Faustregel, dass man mit objektiv zutreffenden Aussagen auf der sicheren Seite ist, so zeigt die Entscheidung doch, dass man diese Leitlinie nicht unreflektiert verfolgen sollte.
Auch soweit der unmittelbare, wörtliche Aussagegehalt einer Auslobung objektiv zutreffend ist, sollte stets genau geprüft werden, ob die Auslobung darüber hinaus nicht noch einen anderen, unzutreffenden Sinngehalt enthält oder zumindest das Risiko besteht, dass die angesprochenen Verkehrskreise einen solchen Sinngehalt erkennen. Bei der Ermittlung des Sinngehalts zwecks Abgleich mit den tatsächlichen Gegebenheiten sind sämtliche Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, neben der Formulierung also insbesondere die Produktart sowie die angesprochenen Verkehrskreise (handelt es sich z.B. um den Durchschnittsverbraucher eines Alltagsprodukts oder um Fachpublikum, das primär angesprochen wird?).
Dr. Maximilian Reinartz
reinartz@bock-legal.de