Blog


08
Mai

Rechtsprechung zur neuen Preisangabenpflicht bei Preiseermäßigungen (§ 11 PAngV)

Bei dem Angebot einer preisermäßigten Ware muss einem durchgestrichenen Preis kein ausdrücklicher Hinweis beigefügt werden, der besagt, dass es sich bei diesem Preis um den niedrigsten, innerhalb der letzten 30 Tage geforderten Preis handelt. Bei einem solchen „Streichpreis“ geht der Verbraucher in der Regel davon aus, dass es sich hierbei um den Preis handelt, den der Händler vor der Preisermäßigung von seinen Kunden verlangt hat, so das Hanseatische Oberlandesgericht in einer ersten obergerichtlichen Entscheidung zur neuen Vorschrift des § 11 Abs. 1 PAngV (Beschluss vom 12.12.2022 – 3 W 38/22).

Sachverhalt

Gegenstand des Rechtsstreits war ein Angebot für das Produkt „Ananas, Getrocknet“ zu einem Preis von 3,99 € für 100 g. Das Produkt stand in drei weiteren Portionsgrößen zur Auswahl (150g, 250g oder 500g). Bestandteil des Angebots war der Zusatz „ohne Zucker“ und zudem ein durchgestrichener Preis „4,99 €“, dem die Angabe „20,04 % gespart“ nachfolgte.

Dieses Angebot wurde in drei Punkten angegriffen: Erstens, so der Antragsteller, fehle es an der Angabe des Grundpreises, nämlich der Angabe des Preises für 1 Kilogramm. Zweitens sei die Angabe „ohne Zucker“ unzulässig, da das Produkt tatsächlich Zucker bzw. Fruchtzucker von 57,2g enthalte. Zuletzt sei dem gestrichenen Preis von 4,99 € auch nicht die Aussage beigefügt worden, dass es sich dabei um den Preis handele, den der Verkäufer innerhalb der letzten 30 Tage vor der Preisermäßigung auf 3,99 € gegenüber Verbrauchern gefordert habe.

Das Landgericht Hamburg hat die geltend gemachten Ansprüche allesamt abgewiesen und das Angebot damit insgesamt als zulässig eingestuft. Diese Auffassung teilte das Oberlandesgericht Hamburg nicht vollumfänglich.

Gestrichener Preis nicht weiter erläuterungsbedürftig

Zunächst stimmte das Oberlandesgericht dem Landgericht dahingehend zu, dass der Händler dem gestrichenen Preis von 4,99 € nicht explizit hinzufügen müsse, dass es sich dabei um den niedrigsten, innerhalb der letzten 30 Tage geforderten Preis handele. Ein solcher ausdrücklicher Hinweis sei nach dem Wortlaut und Zweck des § 11 PAngV nicht erforderlich. Die bloße Angabe des (niedrigsten) Referenzpreises genüge den Anforderungen der Vorschrift. Bei einem durchgestrichenen Preis gehe der Verbraucher in der Regel davon aus, dass es sich hierbei um einen Preis handele, den der Händler vor der Preisermäßigung von seinen Kunden verlangt habe. Der Verbraucher verstehe den durchgestrichenen Preis in der angegriffenen Werbung nicht als einen Hinweis auf eine unverbindliche Preisempfehlung (UVP). Er sei an eine Werbung mit einem „UVP“-Hinweis gewöhnt, sodass er einen durchgestrichenen Preis ohne einen Hinweis auf eine „UVP“ grundsätzlich nicht als eine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers auffassen werde. Eine ausdrückliche Erläuterung eines Streichpreises sei nur dann erforderlich, wenn durch weitere Angaben (z.B. weitere Preise) bei der Preisauszeichnung unklar werde, dass es sich bei dem durchgestrichenen Preis um einen Referenzpreis handele (vgl. BR-Drucksache 669/21 vom 25.08.2021, S. 40). Ferner hielt das Oberlandesgericht fest, dass weder dargelegt noch ersichtlich sei, dass der durchgestrichene Preis nicht der niedrigste der letzten 30 Tage gewesen sei. Der Antragsteller könne dies nunmehr auch nicht einfach in der Rechtsmittelinstanz behaupten. Sein Angriff sei von vornherein darauf gerichtet gewesen, dass der Antragsgegner nicht angegeben habe, um was es sich bei dem gestrichenen Preis handele, und nicht, dass der durchgestrichene Preis nicht der niedrigste der letzten 30 Tage gewesen sei.

Fehlender Grundpreis und unzulässige Angabe „ohne Zucker“

Anders als das Landgericht sah das Oberlandesgericht in der fehlenden Angabe des Grundpreises (Preis für 1 kg) sowie in der Aussage „ohne Zucker“ allerdings einen Rechtsverstoß.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts handele es sich bei dem Produkt nicht um „lose Ware“, bei welcher nach § 5 Abs. 2 PAngV auch die Angabe von 100g als Mengeneinheit für den Grundpreis möglich sei. Zwar konnten vorliegend Ananas-Packungen mit 100g, 150g, 250g oder 500g bestellt werden. Allerdings kennzeichne eine „lose Ware“ i.S.v. § 2 Nr. 5 PAngV eine „Abmessung“ auf Veranlassung des Verbrauchers und nicht die Auswahl vorgefertigter Portionsgrößen durch den Verbraucher.

Ferner habe das Landgericht den weiter geltend gemachten Unterlassungsanspruch unzutreffend mit der Begründung abgewiesen, die Angabe „ohne Zucker“ erwecke beim angesprochenen Verkehr nicht den Eindruck, das Produkt sei zuckerfrei, sondern nur, dass es nicht gezuckert worden sei, weil der verständige Adressat wisse, dass Früchte von Natur aus Zucker enthielten. Das Oberlandesgericht hielt fest, dass die Angabe, ein Lebensmittel sei „zuckerfrei“ sowie jegliche Angabe, die für den Verbraucher dieselbe Bedeutung habe, rechtlich nach Art. 8 Abs. 1 HCVO („Health-Claims-Verordnung“ (EG) Nr. 1924/2006) in Verbindung mit dem Anhang „Nährwertbezogene Angaben und Bedingungen für ihre Verwendung“ nur zulässig ist, wenn das Produkt nicht mehr als 0,5g Zucker pro 100g bzw. 100ml enthält. Eine Fehlvorstellung des Verbrauchers sei dabei irrelevant. Das vorliegende Produkt enthalte 57,2g Zucker/100g, sodass die Angabe „ohne Zucker“ unzulässig sei. „Ohne Zucker“ habe für den Verbraucher dieselbe Bedeutung wie „zuckerfrei“. Dabei relativiere die weitere Angabe „Getrocknete Ananas ungezuckert“ auf dem Produkt die Bedeutung des Begriffs „ohne Zucker“ inhaltlich nicht. Es werde damit nämlich nicht unmissverständlich klargestellt, dass mit der Aussage „ohne Zucker“ tatsächlich „ohne Zuckerzusatz“ oder Ähnliches gemeint sei. Irrelevant sei außerdem, dass aus den Inhaltsstoffen deutlich ersichtlich gewesen sei, dass das Produkt 57,2g Zucker/100g enthalte.

 

Die Auffassung des OLG Hamburg dahingehend, dass ein durchgestrichener Preis gemäß § 11 PAngV grundsätzlich nicht weiter erläuterungsbedürftig ist, teilt auch das LG Düsseldorf in einem Urteil vom 11.11.2022 (Az. 38 O 144/22).

 

Benedikt Frank

frank@bock-legal.de

Sabrina Schmidbaur

schmidbaur@bock-legal.de