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10
Apr

Überwachung von Arbeitnehmern durch Detektiv

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer jüngeren Entscheidung im Juni 2017 die Möglichkeiten des Arbeitgebers gestärkt, Arbeitnehmer mit Hilfe einer Detektei zu überwachen, sofern eine Erkrankung nur vorgetäuscht wird und hierauf eine Kündigung zu stützen (BAG, Urteil vom 29.6.2017 – 2 AZR 597/16=NJW 2017, 2853).

Sachverhalt

Ein Arbeitgeber stritt mit einem Arbeitnehmer über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung sowie den Ersatz von Detektivkosten und einen Auskunftsanspruch.

Der Mitarbeiter war mehrere Monate krankgeschrieben und erschien somit nicht zur Arbeit. Der Arbeitgeber erhielt jedoch während der Arbeitsunfähigkeit Kenntnis von Werbeemails einer GmbH an einen Kunden des Arbeitgebers, welche offenbar von dem arbeitsunfähig Erkrankten stammten. Dieser entfaltete offensichtlich eine Konkurrenztätigkeit im Rahmen einer eigenen GmbH, während er Lohnfortzahlung aufgrund der angeblichen Krankheit erhielt. Daraufhin wurde seitens des Arbeitgebers eine Überwachung des Mitarbeiters durch einen Detektiv veranlasst, welcher den Verdacht weiter erhärtete beziehungsweise den Vorwurf  bestätigte.

Das Landesarbeitsgericht urteilte zunächst, dass zwar das Erschleichen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einen Kündigungsgrund hergeben kann, aber das Erschleichen durch Vorlage der Erkenntnisse eines Detektives nicht bewiesen werden könne, weil eine Überwachung durch einen Detektiv nach § 32 Abs.1 S.1 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) nicht zulässig gewesen sei und die Erkenntnisse daher in der Beweiswürdigung nicht verwendet werden könnten.

 

Entscheidung

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts wurde vom Bundesarbeitsgericht aufgehoben.

Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des gemäß Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art.1 Abs.1 GG (Grundgesetz) geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei nicht ohne Weiteres gegeben ist.

Zwar schützt dieses Grundrecht neben der Privat- und Intimsphäre auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe  und Verwendung persönlicher Daten zu befinden. Die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes konkretisierten dieses Recht im Einzelnen. Sie regelten, ob und in welchem Umfang Eingriffe in dieses Recht durch öffentliche oder private Stellen zulässig sind. Sie regelten aber, so das Bundesarbeitsgericht, nicht, dass die unter Missachtung dieser Vorschriften gewonnenen Erkenntnisse nicht im Rahmen einer Beweiswürdigung verwendet werden dürften. Desweitern könne vorliegend eine Zulässigkeit der Überwachung nach § 28 BDSG möglich sein, da diese Vorschrift auf die „Wahrung berechtigter Interessen“ abstelle.

Das Landesarbeitsgericht habe daher nicht in genereller Weise von einem Verwertungsverbot ausgehen dürfen. Die Entscheidung wurde zurückverwiesen um im Einzelfall die Verhältnismäßigkeit der Überwachung, die nicht generell unzulässig sei, festzustellen.

Fazit

Dass das Erschleichen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eine schwere Pflichtverletzung, unter Umständen sogar strafbar und in jedem Fall ein Kündigungsgrund darstellen kann, ist nicht neu.

Jedoch lässt das Bundesarbeitsgericht, wie diese Entscheidung erneut zeigt, eine Tendenz erkennen, Maßnahmen die regelmäßig zum Beweis eines solchen Verhaltens rein praktisch notwendig sind, zu rechtfertigen. Selbst Erkenntnisse durch eine detektivische Überwachung, welche klar gegen Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes verstößt, könnten nach der Begründung dieser Entscheidung womöglich im Kündigungsschutzprozess voll verwendbar sein. Im deutschen Beweisverwertungsrecht existiert jedenfalls im Vergleich zum angloamerikanischen Rechtskreis keine „fruit from the poisonous tree“-Doktrin; es kommt somit auch die Verwertung von Beweisen in Betracht, welche durch Rechtsverletzungen entstanden oder gesammelt worden sind. Die Möglichkeiten von Arbeitgebern sind damit vergleichsweise gestärkt.

 

Christian Tiedemann