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19
Nov.

Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20.07.2018 zur Frage, ob Ansprüche aus § 64 GmbHG vom D&O-Versicherungsschutz erfasst sind

D&O-Versicherungen schützen versicherte Personen vor der Inanspruchnahme wegen Pflichtverletzungen bei Ausübung der versicherten Tätigkeit aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen und hieraus abgeleiteten Vermögensschaden. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat jüngst (nach einem Beschluss des OLG Celle) als erstes Obergericht mit einer fundierten Begründung durch Urteil entschieden, dass Insolvenzverschleppungsansprüche aus § 64 S. 1 GmbHG als Ersatzansprüche eigener Art nicht vom D&O-Versicherungsschutz umfasst sind. (Alt-)Versicherungsverträge, die keinen ausdrücklichen Schutz gegen Ansprüche aus § 64 GmbHG bzw. Insolvenzverschleppungsansprüche im Allgemeinen enthalten, weisen damit derzeit eine Deckungslücke auf (Urteil vom 20.07.2018 – 4 U 93/16).

Sachverhalt
Die Klägerin war Geschäftsführerin einer insolventen GmbH. Die GmbH hatte bei der Beklagten eine D&O-Vermögensschadenshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen gewährte die Versicherung Schutz „für den Fall, dass eine versicherte Person […] auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird“. Eine gesonderte Regelung über den Schutz gegen die Inanspruchnahme aus § 64 GmbHG sahen die Versicherungsbedingungen nicht vor. Der Insolvenzverwalter der GmbH hat die jetzige Klägerin gerichtlich aus § 64 GmbHG auf Ersatz von pflichtwidrig erfolgten Zahlungen in Anspruch genommen, welche die Klägerin nach Eintritt der Insolvenzreife veranlasst hatte. Die Klägerin war antragsgemäß verurteilt worden. Sie hatte die Forderung bei der Beklagten angemeldet und Freistellung verlangt, welche die Beklagte verweigerte. Der daraufhin von der Klägerin angestrengte Deckungsprozess scheiterte erstinstanzlich. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Berufung in Bezug auf § 64 GmbHG zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Die Sache ist derzeit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof anhängig (Az. IV ZR 186/18). Eine Vergleichslösung erscheint jedoch nicht ausgeschlossen, so dass mit einer Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde gerechnet werden könnte.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat eine Einstandspflicht der Beklagten für Ansprüche aus § 64 GmbHG abgelehnt. Damit bestätigte der Senat einen Beschluss des Oberlandesgerichts Celle aus 2016, wonach § 64 GmbHG „kein vom Versicherungsvertrag erfasster Haftpflichtanspruch“ sei (Beschluss vom 01.04.2016 – Az. 8 W 20/16 – n.v.). Dies ergebe sich, so das Oberlandesgericht Düsseldorf, zunächst daraus, dass § 64 GmbHG nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kein Schadensersatz-, sondern ein „Ersatzanspruch eigener Art“ ist, die D&O-Versicherung aber schon ihrem Wortlaut nach nur Schadensersatzansprüche erfasse.

Auch der Schutzzweck der Norm gestatte keine abweichende Beurteilung. Denn dieser liege nicht in einem Schaden der GmbH, sondern im Erhalt der verteilungsfähigen Insolvenzmasse für die Gläubigergesamtheit. Infolgedessen hafte der Geschäftsführer nach § 64 GmbHG unabhängig davon, ob der GmbH ein Vermögensschaden entsteht. Der Senat verkennt dabei nicht, dass seine Entscheidung eine unerwünschte Deckungslücke zur Folge hat. Einer grundsätzlich erwägenswerten weiten Auslegung von § 64 GmbHG dahingehend, dass dieser als Schadensersatzanspruch zu verstehen sein soll, hat er gleichwohl eine Absage erteilt. Der betroffene Adressatenkreis wisse aufgrund seiner kaufmännischen Tätigkeit, dass die D&O-Versicherung keine „Universalversicherung“ gegen sämtliche denkbaren Ansprüche sei. Dass die Inanspruchnahme durch einen Insolvenzverwalter mitversichert sei, ändere daran nichts, da auch insoweit nur Schadensersatzansprüche erfasst seien. § 64 GmbHG habe schließlich auch keinen „schadensersatzähnlichen Charakter“, der einen entsprechenden Versicherungsschutz rechtfertigen könne. Dies liege – entgegen des insoweit missverständlichen Wortlauts der Norm – daran, dass § 64 GmbHG nur dem Interesse der Gläubigergemeinschaft diene. Insolvenzrechtswidrige Zahlungen könnten zudem keinen Schaden der GmbH begründen, weil diese durch die Zahlung von der dadurch getilgten Verbindlichkeit frei werde. Der Schaden entstehe vielmehr den übrigen Insolvenzgläubigern, da sich deren Masseansprüche verringerten.

Fazit
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat eine in der Praxis äußerst relevante Deckungslücke im Geschäftsführerhaftungsrecht identifiziert, auch wenn das Ergebnis, wie der Senat selbst einräumt, für die haftungsrechtliche Praxis unerwünscht ist.

Für bereits bestehende (Alt-)Versicherungsverhältnisse bestehen daher erhebliche Unwägbarkeiten. Inwieweit hierzu die Möglichkeit eines schriftlichen Nachtrages besteht, wird in der Versicherungswirtschaft unterschiedlich gehandhabt. Beim Neuabschluss eines D&O-Versicherungsvertrages ist zu prüfen, ob dessen Versicherungsbedingungen Ansprüche aus Insolvenzverschleppung, etwa nach § 64 GmbHG, umfassen. Die Versicherungswirtschaft hat allerdings auf diese aufgezeigte Deckungslücke bereits weitgehend reagiert. Wichtig ist zudem, dass die Problematik nicht nur Geschäftsführer, sondern wegen den entsprechenden Regelungen in §§ 93 Abs. 3 Nr. 6, 92 AktG auch Vorstände einer Aktiengesellschaft oder über § 99 GenG auch Vorstände einer Genossenschaft betrifft, weshalb dort gleichfalls entsprechender Handlungsbedarf angezeigt ist.

Anna Tacconi-Wagner
tacconi-wagner@bock-legal.de