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Mai
Anlegern eines geschlossenen Fonds kann auch Anspruch auf „kleinen Schadenersatz“ zustehen
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 06.02.2014 (Az. II ZR 17/17) entschieden, dass die Kommanditisten eines in der Rechtsform der GmbH & Co. KG geführten geschlossenen Fonds (im vorliegenden Fall eines Windparkfonds) im Rahmen der Prospekthaftung im weiteren Sinne statt der Rückabwicklung der Beteiligung auch an der Beteiligung festhalten und den Ersatz des vermeintlich zu viel gezahlten Anlagebetrags verlangen können.
Sachverhalt
Die Kläger hatten sich als Kommanditisten an einem in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG geführten Windparkfonds beteiligt. Die Kläger behaupten, die Windertragsprognosen seien in dem Anlageprospekt unrichtig ausgewiesen. Bei Ansatz richtiger Ertragsprognosen sei von einem dauerhaft um 10 % niedrigen Gesamtertrag auszugehen, weswegen der tatsächliche Wert ihrer Beteiligung im Zeitpunkt der Zeichnung weniger als 50 % des Anlagebetrags betragen habe. Diesen vermeintlichen „Minderwert“ ihrer Beteiligung verlangen die Kläger von den Beklagten, den Gründungsgesellschaftern des Fonds, ersetzt.
Sowohl das Landgericht Stade (Urteil vom 17.03.2016, Az. 6 O 15/15) als auch das Oberlandesgericht Celle (Urteil vom 14.12.2016, Az. 9 U 69/16) wiesen die Klagen in den Vorinstanzen jeweils vollumfänglich ab. Das Oberlandesgericht Celle stützte die Zurückweisung der Berufung darauf, dass die Kläger mit ihrem Klagebegehren letztendlich ein verkapptes Erfüllungsinteresse geltend machen würden, welches ihnen nach den Grundsätzen über die Prospekthaftung im weiteren Sinne aber nicht zustünde. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach der Geschädigte im Ausnahmefall berechtigt sein könne, an dem abgeschlossenen Vertrag festzuhalten und so gestellt zu werden, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen, greife im vorliegenden Fall nicht durch, da diese Rechtsprechung auf Kaufverträge über Gegenstände mit verhandelbar Preisgestaltung bezogen und auf eine Kommanditbeteiligung nicht übertragbar sei. Denn da es im vorliegenden Fall um die Einwerbung von Fondskapital ging, wäre, wenn die Anleger nur eine geringere Einlagesumme gezahlt hätten, dass einzuwerbende Mindestkapital unter Umständen nicht erreicht worden und der Fonds wäre nie in Vollzug gesetzt worden. Im Übrigen sei ohnehin nicht ohne weiteres von der klägerischen Behauptung auszugehen, dass die Beteiligungen in gleicher Weise an Wert verloren hätten, wie die prognostizierten Erträge vermeintlich nicht eingetreten seien. Die Revision gegen das Urteil wurde vom Oberlandesgericht Celle ausdrücklich nicht zugelassen.
Der Bundesgerichtshof hat die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger angenommen und mit Urteil vom 06.02.2018 das Berufungsurteil unter Zurückweisung an das Berufungsgericht zur Beurteilung der Begründetheit der Klage aufgehoben.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass auch die Anleger eines in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG geführten geschlossenen Fonds grundsätzlich einen etwaigen „Minderwert“ der von ihnen gezeichneten Beteiligung als erstattungsfähigen Schaden geltend machen können.
Zwar sei dem Berufungsgericht zuzugeben, dass ein Erfüllungsinteresse im Rahmen der Prospekthaftung im weiteren Sinne nicht erstattet verlangt werden könne. Das Berufungsgericht habe aber übersehen, dass ein solcher Anspruch von den Klägern überhaupt nicht geltend gemacht würde. Vielmehr werde der angeblich „Minderwert“ der Beteiligung im Rahmen des Vertrauensschadens geltend gemacht. Der durch Verletzung von Mitteilungs- oder Aufklärungspflichten zum Vertragsschluss veranlasste Geschädigte könne nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen des Vertrauensschadens zwischen zwei Möglichkeiten des Schadensausgleichs wählen. Er könne entweder die Rückabwicklung des Vertrages verlangen oder stattdessen an dem Vertrag festhalten und den Ersatz der durch das Verschulden des anderen Teils veranlassten Mehraufwendungen verlangen (sog. “kleiner Schadenersatz“). Diese Grundsätze gelten auch für die Beteiligung als Kommanditist an einer Kommanditgesellschaft. Demnach stünde einem Anleger, der für seine Kommanditbeteiligung wegen unzutreffender Prospektangaben einen überhöhten Einlagebetrag geleistet habe, bei Festhalten an seiner Beteiligung ein Anspruch auf Ersatz des Betrages zu, um den der von ihm für die Beteiligung geleistete Betrag den tatsächlichen Wert seiner Beteiligung übersteige. Maßgeblich für die Bemessung des zu erstattenden Vertrauensschadens beim „kleinen Schadenersatz“ sei der Vergleich der Werte von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Dementsprechend käme eine schadensmindernde Berücksichtigung späterer, nicht prognostizierter Ausschüttungen nur im Rahmen einer Vorteilsausgleichung in Betracht, wofür es aber im vorliegenden Fall an einem inneren Zusammenhang fehle, sofern der Anleger die Ausschüttungen auch bei einem Erwerb der Beteiligung zu einem ihrem damaligen tatsächlichen Wert entsprechenden Anlagebetrag erzielt hätte.
Konkrete Feststellungen zur Berechnung des vermeintlichen „Minderwerts“, insbesondere, ob dieser anhand der tatsächlich zu erwartenden Winderträge zu ermitteln sei oder ob auf einen eventuellen Marktwert der Beteiligung auf dem Zweitmarkt abzustellen sei, ließ der Bundesgerichtshof in der vorliegenden Entscheidung ausdrücklich offen und verwies den Rechtsstreit diesbezüglich an das Berufungsgericht zurück.
Fazit
Die vom Bundesgerichtshof getroffene Feststellung, dass die Grundsätze zur Berechnung des „kleinen Schadenersatzes“ auch für die Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft gelten, mag zwar logisch stringent sein, in der Praxis begegnet sie aber erheblichen Schwierigkeiten. Denn auch nach den Feststellungen des Bundesgerichtshofs ist der Vertrauensschaden anhand eines Vergleichs der Werte von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beurteilen. Hier stellt sich aber die Frage, wie ein Kommanditanteil an einem noch nicht in Vollzug gesetzten, neu gegründeten Windkraftfonds zu bewerten ist, insbesondere welchen Stellenwert die Prognose über die Winderträge bei der Bewertung spielt. Diesbezüglich verweist der Bundesgerichtshof unter Rn. 29 des Urteils auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Berufungsgericht. Die Schadensberechnung ist also ungleich aufwendiger und angreifbarer als bei einer Rückabwicklung im Rahmen des “großen Schadenersatzes“, bei welcher lediglich von der Beteiligungssumme bereits erhaltene Ausschüttungen und Steuervorteile abzuziehen sind.
Es ist demnach die Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle abzuwarten, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein vermeintlicher „Minderwert“ der Beteiligung überhaupt festzustellen ist.
Dr. Silke Rohnfelder
rohnfelder@bock-legal.de