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Feb
BGH: Gütesiegel können nicht nur durch unabhängige Dritte vergeben werden
Der Fall
Mit einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (Urt. v. 04.07.2019, Az. I ZR 161/18 – IVD-Gütesiegel) noch einmal seine Rechtsprechung konkretisiert und bestätigt, unter welchen Voraussetzungen die Vergabe von Gütesiegeln durch nicht-unabhängige Stellen zulässig ist.
Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale gegen einen Industrieverband, der auf der Grundlage von von ihm selbst erstellter „IVD-Güterichtlinien“ ein Gütesiegel vergab:
Die Klägerin beanstandete die Bezeichnung des Siegels als „Gütesiegel“ als irreführend und damit wettbewerbswidrig im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG.
Die Entscheidung
Nachdem das Landgericht und das Oberlandesgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen hatten, hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Mit der vom Oberlandesgericht Düsseldorf gemachten Begründung könne die Klage nicht abgewiesen werden. Vielmehr müsse der Sachverhalt vom Oberlandesgericht erneut aufgeklärt werden. Dazu erteilte der Bundesgerichtshof erfreulich klare „Segelanweisungen“:
Gütesiegel oder Prüfzeichen, so der BGH, würden vom Verkehr dahingehend verstanden, dass ein neutraler Dritter mit entsprechender Kompetenz die damit versehene Ware nach objektiven und aussagekräftigen Kriterien auf die Erfüllung von Mindestanforderungen geprüft habe. Zentrales Kriterium ist danach die Neutralität der Prüfeinrichtung. Die Neutralität müsse dabei in zweierlei Hinsicht wirken, nämlich einerseits in Bezug auf die eigentliche Qualitätsprüfung, andererseits in Bezug auf die Vergabe und auch Überwachung der Siegelnutzung. Es stehe der Neutralität allerdings nicht entgegen, wenn das Siegel lediglich an Verbandsmitglieder vergeben werde. Ebenso sei es unschädlich, wenn für die Durchführung der Prüfung eine angemessene Gebühr verlangt werde.
Erforderlich sei ferner, dass die Verleihung an objektive und aussagekräftige Kriterien geknüpft sei, die unter Beteiligung etablierter Fach- und Prüfstellen, wie etwa dem RAL-Institut, erstellt würden, sich aber auch aus anerkannten technischen Standards oder Normierungen der betroffenen Produktsparte ableiten können. Zudem müssten die bei der Prüfung angewendeten Verfahren und Maßstäbe allgemein zugänglich sein.
Darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die genannten Voraussetzungen nicht vorliegen, sei nach allgemeinen Regeln der Kläger. Wenn die Informationen für den Kläger jedoch nicht frei zugänglich seien, treffe den Beklagten unter Umständen eine sogenannte sekundäre Darlegungslast, was faktisch die Wirkung einer Beweislastumkehr haben kann.
Praxishinweis
Die Entscheidung ist vor allem deswegen von großer Bedeutung, weil mit ihr klargestellt ist, das Siegel nicht nur von unabhängigen Dritten vergeben werden können, sondern durchaus auch von Interessenverbänden, solange diese gewisse Regeln einhalten.
Seit Januar 2019 besteht zudem die Möglichkeit zur Anmeldung von sogenannten Unionsgewährleistungsmarken. Dass ein entsprechender Markenschutz erlangt wird, besagt aber noch nichts über die Zulässigkeit der Verwendung einer solchen Gewährleistungsmarke. Die Zulässigkeit der Verwendung beurteilt sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs weiterhin vielmehr nach den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften. Während die jetzige Entscheidung derjenigen Stelle, die ein Gütesiegel vergeben möchte, eine gute Handlungsanweisung an die Hand gibt, hat sich der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 21.07.2016, Az. I ZR 26/15 – LGA tested) im Jahr 2016 bereits mit der Frage befasst, was derjenige beachten muss, der mit einem Gütesiegel für seine Produkte wirbt. Das „Recht der Gütesiegel“ gewinnt damit weiter an Kontur.
Dr. Jan D. Müller-Broich, LL.M.