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21
Feb.

Bundesgerichtshof verweigert Urheberrechtsschutz für Birkenstock-Sandalen

Geht es um Designschutz, so war eine der spannenden Fragen der zurückliegenden Jahre, unter welchen Voraussetzungen Gebrauchsgegenstände auch durch das Urheberrecht geschützt sein können. Denn grundsätzlich können Gebrauchsgegenstände als Werke der angewandten Kunst entsprechend § 2 Abs. 1 Nr. 4 Urheberrechtsgesetz (UrhG) geschützt sein. Der Schutz durch das Urheberrecht ist zugleich ausgesprochen attraktiv, denn er erfordert keine Registrierung und damit keine Kosten, und die Schutzdauer ist sehr lang. Der urheberrechtliche Schutz erlischt erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers.

Ein Schutz nach dem Urheberrecht erfordert allerdings das Vorliegen einer persönlich geistigen Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG), wozu das Erreichen einer bestimmten Schöpfungs- oder Gestaltungshöhe als erforderlich angesehen wird. Über Jahrzehnte hinweg hatte der Bundesgerichtshof die Schutzanforderungen für Gebrauchsgegenstände dabei sehr hoch angelegt, so dass solche in der Vergangenheit nur selten in den Genuss des Urheberrechtsschutzes kamen. Traditionell wurde dies überwiegend nur Möbeln oder Lampen zugebilligt, die als echte „Bauhausklassiker“ galten.

Bewegung kam in die Angelegenheit, als der Bundesgerichtshof im Jahr 2014 mit seiner „Geburtstagszug-Entscheidung“ (gegeben war ein kleiner Holzzug, der anlässlich eines Kindergeburtstags mit Kerzen bestückt werden konnte) erstmalig mit seiner jahrzehntealten Rechtsprechung brach und seinen Kurs dahingehend änderte, als er feststellte, dass die Messlatte für das Erreichen der Urheberrechtsschutzfähigkeit niedriger gelegt werden müsse. Seitdem rangen Rechtsprechung und Literatur um die Frage, wie niedrig genau die Schutzschwelle anzulegen sei. Insbesondere versuchten Hersteller verstärkt, für ihre Produkte Urheberrechtsschutz zu reklamieren, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Im Streit standen etwa die Gestaltung des Porsche 911, des Zauberwürfels, von Modeerzeugnissen, Bierflaschen oder auch von Urnen im Airbrush-Design mit röhrendem Hirsch. Zwischenzeitlich seitens des Europäischen Gerichtshofs ergangene Entscheidungen in Sachen „Cofemel“ (C-683/17) und „Brompton“ (C-833/18) waren dabei nur bedingt hilfreich.

Mit großer Spannung ist daher der Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof erwartet worden, wo sich der BGH mit der Frage auseinanderzusetzen hatte, ob die beiden außerordentlich bekannten Birkenstockmodelle „Arizona“ und „Gizeh“, die Karl Birkenstock noch selbst Anfang der 1960er Jahre entwickelt hatte, ebenfalls als Werke der angewandten Kunst durch das Urheberrecht geschützt sind:

In der Rechtsprechung existierten dazu unterschiedliche Auffassungen. Während beispielsweise das Oberlandesgericht Hamburg (5 W 40/21) von einm urheberrechtlichen Schutz ausging, wurde gleicher seitens des Oberlandesgerichts Köln (6 U 89/23) verneint.

Wie einer Pressemitteilung vom 20.2.2025 zu entnehmen ist, hat der Bundesgerichtshof (Urteile vom 20. Februar 2025 – I ZR 16/24; I ZR 17/24; I ZR 18/24) jetzt entschieden, dass die Birkenstocksandalen keinen Urheberrechtsschutz beanspruchen können. Es könne nicht festgestellt werden kann, dass der bestehende Gestaltungsspielraum in einem Maße künstlerisch ausgeschöpft worden sei, dass die erforderliche Gestaltungshöhe erreicht werde. Ein freies und kreatives Schaffen sei ausgeschlossen, soweit technische Erfordernisse, Regeln oder andere Zwänge die Gestaltung bestimmten. Für den urheberrechtlichen Schutz eines Werks der angewandten Kunst sei – wie für alle anderen Werkarten auch – eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern. Abzugrenzen vom künstlerischen Schaffen sei das rein handwerkliche Schaffen, für das ein urheberrechtlicher Schutz nicht beansprucht werden könne. Für den Urheberrechtsschutz müsse vielmehr ein Grad an Gestaltungshöhe erreicht werden, der Individualität erkennen lasse, so der BGH. Dies könne in Bezug auf die Birkenstock-Sandalen nicht festgestellt werden, wie das OLG Köln zutreffend herausgearbeitet habe.

Die vollständigen Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Bereits jetzt ist jedoch erkennbar, dass der BGH ganz offensichtlich daran festhält, dass Urheberschutz auch weiterhin etwas „Künstlerisches“ erfordert; letzteres ist teilweise in Zweifel gezogen worden, als die Auffassung vertreten worden ist, dass bereits ein kreatives Schaffen als solches ausreichend sei, ohne das darin zugleich auch eine künstlerische Betätigung erkannt werden müsse.

Tatsächlich könnte die Angelegenheit auch noch nicht endgültig geklärt sein, denn aktuell sind zu den gleichen Fragen noch zwei Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig, wo es um die Schutzfähigkeit von Möbeln, u.a. des bekannten Herstellers USM-Haller, geht. Möglicherweise könnte der Ausgang dieser Verfahren den BGH noch einmal veranlassen, seine Rechtsprechung anzupassen.

Hersteller sind jedenfalls gut beraten, nach wie vor Gebrauchsgegenstände durch das eingetragene Design oder das Gemeinschaftsgeschmacksmuster zu schützen. Allein darauf zu vertrauen, dass ein Produkt auch durch Urheberrecht geschützt ist, könnte sich als Trugschluss erweisen.

Dr. Jan D. Müller-Broich

mueller-broich@bock-legal.de