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Nov.
Die gesetzliche Neuregelung des Geschäftsgeheimnisschutzes
Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen gegen Ausspähung durch Dritte sowie gegen Mitnahme durch ausscheidende Mitarbeiter gehört zu den besonders wichtigen Interessen beinahe jedes Unternehmens. Nach geltender Rechtslage wird dieser Schutz durch drei Strafvorschriften aus dem Jahr 1909 gewährt, die über das allgemeine Deliktsrecht hinaus auch zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen auf Unterlassung und Schadensersatz bieten. Nunmehr findet auf der Grundlage einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2016 (Richtlinie (EU) 2016/943) eine Neuordnung des Geheimnisschutzes statt.
Die Bundesregierung bereitet derzeit mit Hochdruck die gesetzliche Umsetzung dieser EU-Richtlinie vor. Das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) liegt als Regierungsentwurf vor und wird nach dem parlamentarischen Durchlauf voraussichtlich in einigen Monaten in Kraft treten. Auch wenn im Zuge der parlamentarischen Behandlung noch kleinere Änderungen möglich sind, lohnt sich ein Blick auf die Neuregelung, weil die Frist für die Umsetzung der EU-Richtlinie bereits im Juni abgelaufen ist. In solchen Fällen verlangt der Europäische Gerichtshof die „richtlinienkonforme Auslegung“ des nationalen Rechts. Die Richtlinie entfaltet also bereits Wirkung.
Zu der gesetzlichen Neuregelung gehört eine klare Definition, was ein Geschäftsgeheimnis ist. Bisher fehlte es im deutschen Recht an einer ausdrücklichen und einheitlichen Begriffsbestimmung des „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses“. Ein Geschäftsgeheimnis ist danach eine Information, die geheim, von kommerziellem Wert und Gegenstand von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch die berechtigte Person ist. Im Gegensatz zu der bisherigen Rechtslage reicht es nach der Neuregelung nicht mehr aus, wenn der Geheimnisinhaber lediglich den subjektiven Geheimhaltungswillen hat. Er muss vielmehr die im Einzelfall angemessenen Schutzmaßnahmen treffen, um für das Geheimnis Schutz beanspruchen zu können. Für diese Maßnahmen trägt er im Rechtsstreit die Darlegungs- und Beweislast.
Der Schutzumfang wird im Gesetzentwurf wie in der Richtlinie sowohl durch zulässige als auch unzulässige Handlungen bestimmt. Zu den erlaubten Handlungen gehört die Erlangung des Geschäftsgeheimnisses durch eine eigenständige Entdeckung oder Schöpfung (Parallelentwicklung). Erlaubt ist nach der Neuregelung im Gegensatz zum bisherigen Rechtszustand das Reverse Engineering, also der Erwerb des Geschäftsgeheimnisses durch die Beobachtung, die Untersuchung, den Rückbau oder das Testen eines sich im rechtmäßigen Besitz des Durchführenden befindlichen Produktes. Das Reverse Engineering kann aber vertraglich ausgeschlossen werden. Zu den Handlungsverboten gehört das Erlangen eines Geschäftsgeheimnisses aufgrund des unbefugten Zugangs, der unbefugten Aneignung oder des unbefugten Kopierens von Geheimnisträgern, die sich im rechtmäßigen Besitz des Geheimnisinhabers befinden. Auch jedes sonstige Verhalten, das anständigen Marktgepflogenheiten widerspricht, gehört zu den verbotenen Verhaltensweisen. Verboten ist weiterhin die Nutzung eines Geschäftsgeheimnisses, das durch eigene Handlung oder über eine andere Person erlangt worden ist.
Eine dem Handlungsverbot unterliegende Tätigkeit (Erlangung, Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses) kann gerechtfertigt sein, wenn gesetzliche Rechtfertigungsgründe eingreifen. Damit bringen der Europäische Richtliniengeber und der deutsche Gesetzgeber zum Ausdruck, dass das Geschäftsgeheimnis keinen absoluten Schutz bietet, wie etwa ein gewerbliches Schutzrecht, z.B. ein Patent. Das Interesse der Allgemeinheit kann gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse überwiegen. Auf Kritik ist dabei die Vorschrift gestoßen, dass die Tätigkeit eines Whistleblowers gerechtfertigt sein kann.
Die zivilrechtlichen Ansprüche des Geheimnisinhabers und deren Grenzen orientieren sich an den entsprechenden Rechten des Geistigen Eigentums. Wie bei der Verletzung eines Patents bestehen Ansprüche auf
- Beseitigung einer fortdauernden Beeinträchtigung;
- Unterlassung bei Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr;
- Vernichtung oder Herausgabe des oder der Geheimnisträger;
- Rückruf des rechtsverletzenden Produkts;
- die dauerhafte Entfernung des rechtsverletzenden Produkts aus den Vertriebswegen;
- die Vernichtung der rechtsverletzenden Produkte;
- die Rücknahme der rechtsverletzenden Produkte vom Markt, wenn der Geschäftsgeheimnisschutz hierdurch nicht beeinträchtigt wird (ansonsten Vernichtung);
- Auskunft über Herkunft, Vertriebswege, Menge und Kaufpreis des rechtsverletzenden Produkts;
- Schadensersatz bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Begehung.
Die vorstehend aufgezählten Ansprüche hat der Geheimnisinhaber auch gegen den Inhaber eines Unternehmens, wenn der Rechtsverletzer dessen Beschäftigter oder Beauftragter ist und die rechtswidrige Handlung in einem unmittelbaren Zusammenhang zu der wahrgenommenen Tätigkeit steht. Die Haftung ist also dort angesiedelt, wo der Vorteil entsteht, ohne dass der Unternehmensinhaber sich darauf berufen kann, nicht er selbst, sondern ein anderer habe die rechtswidrige Handlung begangen.
Die prozessrechtlichen Vorschriften des neuen Gesetzes (bislang noch des Entwurfs) sehen eine Reihe von Maßnahmen vor, die ein Gericht zur Wahrung des Geschäftsgeheimnisses im Prozess ergreifen kann. So kann ein Gericht die Beteiligten eines Rechtsstreits (die Parteien, ihre Prozessvertreter, Zeugen, Sachverständige etc.) zur Vertraulichkeit verpflichten. Diese Verpflichtung ist für den Fall eines Verstoßes mit Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungsgeld bis zu 100.000 € bewehrt.
Wie das geltende Recht enthält das neue Gesetz auch Strafvorschriften.
Fazit
Durch die Neuregelung wird die Durchsetzung des Geheimnisschutzes vereinfacht. Es ist nicht mehr erforderlich, Strafvorschriften in das Zivilrecht zu transformieren. Bedeutsam ist, dass der Geheimnisschutz an den Schutz von Immaterialgüterrechten angelehnt ist. Im Gegensatz zu dem geltenden Recht müssen die Unternehmen zum Schutz Ihrer Geschäftsgeheimnisse aktiv tätig werden durch die Sicherung des Geheimnisses mittels angemessener Schutzmaßnahmen und durch vertragliche Regelungen, die dem Reverse Engineering entgegenstehen.
Michael Fügen
fuegen@bock-legal.de