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10
Juli

Die Haftung Googles als mittelbarer Störer für Verlinkungen auf das Onlinearchiv LumenDatabase

Das OLG München musste sich kürzlich im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens mit der Frage auseinandersetzen, ob sich das Recht auf Vergessenwerden auch auf Inhalte auf Seiten von Drittanbietern bezieht, wenn Google in den Suchergebnissen die Nutzer darauf hinweist, dass Informationen aus den Suchergebnissen gelöscht wurden und einen Link zu einem Drittanbieter bereitstellt, über den die gelöschte Information wieder aufgerufen werden kann (Beschluss vom 07.06.2017, 18 W 826/17).

Sachverhalt
Über das Unternehmen der Antragstellerin wurden im Internet Berichte veröffentlicht, die die Behauptung enthielten, dass gegen sie Ermittlungen wegen Betrugsverdachts laufen. Tatsächlich bezogen sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auf den Verdacht wegen Kapitalanlagebetrugs. Da die Berichte mit der Behauptung des Verdachts wegen Betruges auch über die Suchmaschine Google auffindbar waren, beantragte die Antragstellerin gegen Google in einem ersten Verfügungsverfahren, dass Google die Anzeige der Artikel in den Suchergebnissen zu unterlassen habe. Das LG München gab diesem Begehren statt (Beschluss 04.04.2017, 25 O 3214/17), woraufhin Google die Verlinkungen löschte.

Aufgrund der selbstauferlegten „Selbstverpflichtung zur Transparenz“ übersendet Google allerdings derartige Löschungen und Löschungsanträge an das Onlinearchiv LumenDatabase, ein Gemeinschaftsprojekt mehrerer juristischer Fakultäten in den USA, die gelöschte Inhalte sammeln und die Informationen hierzu archivieren und vorhalten.

Aufgrund dieser Praxis wurden Nutzern von Google nach der Löschung der beanstandeten Links bei Eingabe der Suchworte „Name der Antragstellerin+Betrugsverdacht“ am Fuße der Suchergebnisse auf folgendes hingewiesen: „Als Reaktion auf ein rechtliches Ersuchen, das an Google gestellt wurde, haben wir 1 Ergebnis(se) von dieser Seite entfernt. Weitere Informationen über das Ersuchen finden Sie unter LumenDatabase.org.“ Sodann folgte ein Link zu der URL https://www.lumendatabase.org/notices/. Auf dieser Webseite war ein Link enthalten, über den die Nutzer die ursprünglich gelöschten Artikel wieder aufrufen konnten.

Mit der hiesigen einstweiligen Verfügung beantragt die Antragstellerin, dass Google es zu unterlassen habe, auf das Onlinearchiv LumenDatabase zu verweisen, wenn dort die gelöschten Inhalte wieder abrufbar sind.

Entscheidung
Das OLG München hat im Rahmen der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin dem Antrag stattgegeben.

Nach Ansicht des OLG München steht der Antragstellerin gegen Google ein Unterlassungsanspruch wegen der Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts zu, da Google nicht die möglichen und zumutbaren Schritte unternommen habe, um weitere Rechtsverletzungen zu verhindern. Die Tatsache, dass Google im konkreten Fall nicht etwa einen direkten Link mit einer URL den Nutzern zur Verfügung gestellt hat, sondern lediglich einen Hinweis an die Hand gegeben hat, der auf eine unabhängige Webseite mit einem Link zu den beanstanden Informationen verweist, steht der Haftung Googles nicht entgegen, da nach Ansicht des OLG München der Schwerpunkt der Tätigkeit von Google nicht lediglich in dem Setzen von Links mit einer konkreten URL liegt, sondern allgemein darin, dass Google sämtliche zugänglichen Webseiten auf die eingegebene Suchanfrage durchsucht und den Nutzern die unübersichtliche Flut an Informationen bündelt und die möglichen URLs auffindbar macht. Der Umstand, dass der Nutzer die letztgenannte URL auf der Webseite von Lumen selbst aufrufen muss, lässt die Haftung von Google nicht entfallen, da Google bei der Verweisung auf Lumen um den weiterführenden Link wusste. Es macht demnach nach Ansicht der OLG München keinen Unterschied, ob es ein oder zwei Klicks bedarf, um zu den beanstandeten Informationen gelangen. Aufgrund der Tatsache, dass die Antragstellerin im Rahmen des ersten einstweiligen Verfügungsverfahrens Google ausreichend auf die rechtsverletzenden Inhalte hingewiesen hat, hätte Google Kontrollmaßnahmen ergreifen müssen, um eine zukünftige Verletzung zu verhindern. Die Rechte der Antragstellerin überwiegen somit der selbstauferlegten „Selbstverpflichtung zur Transparenz“ von Seiten Googles.

Fazit
Das Urteil des OLG München überzeugt, denn die „Selbstverpflichtung zur Transparenz“, das heißt die Löschung von verletzenden Suchergebnissen, nur um diese dann durch einen Hinweis auf Lumen wieder sichtbar zu machen, widerspricht eindeutig den Rechten der Betroffenen. Es handelt sich dabei um eine logische und wichtige Fortführung der Rechtsprechung des Rechts auf Vergessenwerden.

Lukas Riedel