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Apr.
Maßnahmenpaket zur Sicherstellung der Beschluss- und Handlungsfähigkeit von Unternehmen während der Covid-19-Pandemie
Die zur Begrenzung der Ausbreitung des Covid-19-Virus angeordneten Kontaktbeschränkungen wirken sich auch auf die Durchführbarkeit Gesellschafterversammlungen und Sitzungen von Unternehmensorganen und damit auf deren Handlungsfähigkeit aus. Auch Sportvereine und Wohnungseigentümergemeinschaften sind durch die Kontaktbeschränkungen in ihrer Beschluss- und Handlungsfähigkeit betroffen.
Zur Abmilderung dieser Einschränkungen ist am 27.03.2020 das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (BGBl. 2020 Teil I Nr. 14 S. 569 ff.) beschlossen worden. Das Gesetz trat bereits am 28.03.2020 in Kraft.
Die Wichtigsten Änderungen und praktischen Auswirkungen des Maßnahmenpaktes haben wir im Folgenden zusammengefasst:
Änderungen für die Aktiengesellschaft und ähnliche Rechtsformen
In Ergänzung des § 118 AktG besteht für Aktengesellschaften nun die Möglichkeit, eine vollständig virtuelle Hauptversammlung abzuhalten. Die Entscheidung über die Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung obliegt dem Vorstand. Darüber hinaus kann der Vorstand – unabhängig von einer grundsätzlich erforderlichen Regelung in der Satzung oder einer Geschäftsordnung – beschließen, dass die Aktionäre ihre Stimme schriftlich oder im Wege elektronischer Kommunikation abgeben dürfen (Briefwahl). Die Entscheidungen des Vorstandes bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrates.
Voraussetzung für eine virtuelle Hauptversammlung ist allerdings, dass
- die Bild- und Tonübertragung der gesamten Versammlung erfolgt,
- die Stimmrechtsausübung der Aktionäre über elektronische Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Teilnahme) sowie Vollmachtserteilung möglich ist,
- den Aktionären eine Fragemöglichkeit im Wege der elektronischen Kommunikation eingeräumt wird,
- den Aktionären, die ihr Stimmrecht per Briefwahl oder bei elektronsicher Teilnahme ausgeübt haben, in Abweichung von § 245 Nr. 1 AktG unter Verzicht auf das Erfordernis des Erscheinens in der Hauptversammlung eine Möglichkeit zum Widerspruch gegen einen Beschluss der Hauptversammlung eingeräumt wird.
Zusätzlich kann die Hauptversammlung mit verkürzter Frist, nämlich 21 Tage statt wie bisher 30 Tage einberufen werden.
Bei der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien kann die Hauptversammlung – abweichend von § 175 Abs. 1 S. 2 AktG – auch nach Ablauf der Achtmonatsfrist innerhalb des Geschäftsjahres stattfinden.
Außerdem kann der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats, aber ohne einen Beschluss der Hauptversammlung entscheiden, einen Abschlag auf den Bilanzgewinn an die Aktionäre zu zahlen, ohne dafür durch Satzung ermächtigt zu sein.
Obige Neuregelungen gelten für die KGaA, die SE und den VVaG entsprechend. Allerdings ist für die SE zu beachten, dass eine Verlängerung der Einberufungsfrist aus europarechtlichen Gründen nicht möglich ist. Eine Verlängerung entsprechend oben erläuterter Abweichung von § 175 Abs. 1 S. 2 AktG würde Art. 54 Abs. 1 der SE-Verordnung zuwiderlaufen, die eine sechsmonatige Frist vorsieht.
Änderungen für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die Genossenschaft
Das Maßnahmenpaket lässt eine Abweichung von § 48 Abs. 2 GmbHG zu, sodass nunmehr Beschlüsse der Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Stimmabgabe gefasst werden können, ohne dass dafür die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter erforderlich ist.
Für die Genossenschaft werden die Durchführung von Versammlungen unter Verzicht auf die physische Präsenz der Mitglieder erleichtert und dies unabhängig von etwaigen Satzungsregelungen. Insbesondere ist die Möglichkeit eröffnet, Beschlüsse schriftlich oder elektronisch zu fassen.
Sitzungen des Vorstandes und des Aufsichtsrats sowie gemeinsame Sitzungen können neben dem Umlaufverfahren in Textform auch als Telefon- oder Videokonferenz durchgeführt werden.
Des Weiteren kann der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats Abschlagszahlungen auf zu erwartende Auszahlungen an ein ausgeschiedenes Genossenschaftsmitglied oder zu erwartenden Dividendenzahlungen leisten.
Darüber hinaus bleiben Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats auch nach Ablauf der Amtszeit im Amt und zwar bis zur Bestellung eines Nachfolgers.
Änderungen für Vereine
Ebenso wie bei der Genossenschaft bleibt ein Vorstandsmitglied des Vereins, dessen Amtszeit abgelaufen ist so lange weiter im Amt bis er Abberufen wird oder ein Nachfolger bestellt ist.
Auch ohne Ermächtigung in der Satzung kann der Vorstand den Vereinsmitgliedern ermöglichen, ohne persönliches Erscheinen an der Mitgliederversammlung teilzunehmen und ihre mitgliedschaftlichen Rechte auf elektronischem Wege auszuüben oder ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung vor deren Durchführung ihre Stimme schriftlich abzugeben.
Darüber hinaus ist Abweichend von § 32 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist ein Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder bereits dann gültig, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.
Änderungen für die Wohnungseigentümergemeinschaft
Auch die Durchführung von Eigentümerversammlungen einer WE wird aufgrund von Covid-19 regelmäßig nicht möglich sein. Um die Handlungsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft gewährleisten zu können, bleibt zunächst der zuletzt bestellte Verwalter im Sinne des WEG so lange im Amt, wie er nicht abberufen oder ein neuer Verwalter bestellt wird.
Darüber hinaus gilt der zuletzt von den Eigentümern beschlossene Wirtschaftsplan bis zur Beschlussfassung über einen neuen Wirtschaftsplan fort.
Obige Änderungen gelten zeitlich befristet und enden zunächst mit Ablauf des 31.12.2020. Das Bundesamt für Justiz und Verbraucherschutz ist jedoch ermächtigt, die Regelungen des Gesetzes durch Rechtsverordnung längstens bis zum 31.12.2021 zu verlängern.