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Mogelpackung oder legitime Vermarktung?
Vor allem im Bereich von Verbrauchsgütern stehen Hersteller auch vor der Frage, wie das Verhältnis von Verpackung und Inhalt zu gestalten und dem Kunden zu kommunizieren ist, gerade wenn es sich um eine mehrschichtige Verpackung handelt. Der Grat zwischen einer (unbeabsichtigten) „Mogelpackung“, die wettbewerbsrechtlich irreführend ist, und einer zulässigen Verpackungsgestaltung kann durchaus schmal sein, wie sich dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11.10.2017 – I ZR 78/16 („Tiegelgröße“) entnehmen lässt.
Sachverhalt
Die „Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs“ war gegen eine Herstellerin von kosmetischen Hautpflegeprodukten vorgegangen. Letztere hatte unter anderem 2 Gesichtscremes (Anti-Age Tagespflege/ Nachtpflege Soja) für jeweils ca. 10 € vertrieben, wobei die Produkte eine Umverpackung aufwiesen, die 7 cm hoch war und innerhalb derer sich auf 3 cm Höhe ein Pappboden befand. Der eigentliche Cremetiegel war nur 4 cm hoch. Auf der Unterseite der Umverpackung war die Füllmenge des Tiegels mit 50 ml korrekt angegeben, zudem befand sich seitlich auf der Umverpackung eine fotorealistische, maßstabsgetreue Abbildung des Tiegels mit der Unterzeile „Diese Produktabbildung entspricht der Originalgröße“. Auf dieser Seite der Umverpackung waren auch die Anwendungshinweise angebracht.
Entscheidung
Das Oberlandesgericht als Vorinstanz hatte zwar das Vortäuschen einer größeren Füllmenge des Tiegels verneint, allerdings eine nach § 5 UWG unzulässige Irreführung hinsichtlich der Größe des Tiegels bejaht, also letztlich eine Täuschung über das Größenverhältnis zwischen Umverpackung und Innenbehältnis. Der BGH hingegen verneinte auch die zweite Frage.
Entscheidend sei die Sichtweise des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers, der einer Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringe, die vor allem auch von der Bedeutung der Ware für den Verbraucher abhänge. Bei geringwertigen Gegenständen des täglichen Bedarfs sei die Aufmerksamkeit normalerweise gering, wohingegen Waren zu einem erheblichen Preis aufmerksamer zur Kenntnis genommen würden. Die Aufmerksamkeit sei auch davon abhängig, ob es sich – wie bspw. bei Lebensmitteln – um Produkte handele, bei denen die Kaufentscheidung regelmäßig auch von der Zusammensetzung abhängig gemacht werde, die sich aber erst nach genauerer Wahrnehmung der entsprechenden Informationen auf der Verpackung ergebe. Dies sei bei Creme zur Gesichtspflege regelmäßig der Fall. Sie werde an so prominenter Stelle aufgetragen, dass die Zusammensetzung von Interesse sei, insbesondere mit Blick auf Allergien und Unverträglichkeiten, die nach der Lebenserfahrung nicht selten seien. Auch Hinweise zu kaufrelevanten Eigenschaften wie Konsistenz, Duftrichtung sowie Anwendungsgebiet und -art würden erwartet. Wer das Produkt nicht schon kenne, werde es vor dem Kauf näher auf diese Informationen hin prüfen und dabei auch die auf derselben Seite der Umverpackung vorhandenen Hinweise auf die Tiegelgröße wahrnehmen.
Fazit
Man kann davon ausgehen, dass die Bewertung ohne die seitlich angebrachten aufklärenden Hinweise auf der Umverpackung anders ausgefallen wäre. Anders herum sind die Hinweise nicht unbedingt eine ausreichende „Sicherheitsmaßnahme“ gegen den Vorwurf einer Irreführung. Das zentrale Argument, die Inhaltsstoffe und genauen Produkteigenschaften seien für den Verbraucher „regelmäßig“ von Interesse, wie z.B. bei Lebensmitteln, erscheint jedenfalls nicht zwingend, gerade bei niedrigeren Produktpreisen. Denn auch wenn das Urteil an dieser Stelle den Preis nicht entscheidend erwähnt – preislich waren die Cremes zwar nicht dem Luxussegment zuzuordnen, aber sicherlich schon auf einem Niveau, das eher gegen einen Kauf „im Vorbeigehen“ bzw. für eine gesteigerte Aufmerksamkeit spricht. Vor allem wenn dies anders oder ein deutlicher optischer Hinweis auf das Innenbehältnis oder die Füllmenge/ -höhe nicht geplant ist, sind mögliche Fehlvorstellungen über das Verhältnis von Verpackung und Inhalt genauer zu prüfen.
Dr. Maximilian Reinartz
reinartz@bock-legal.de