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Apr.
Notarhaftung – Keine subsidiäre Haftung des Notars bei Vergleich
Das Kammergericht Berlin hat kürzlich entschieden, dass ein Notarhaftungsanspruch wegen schuldhafter Versäumung einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO in der Regel ausgeschlossen ist, wenn der Geschädigte in einem mit einem anderen Schädiger abgeschlossenen Vergleich auf Schadensersatzansprüche ganz oder teilweise verzichtet hat, obwohl ihm die weitere Rechtsverfolgung gegenüber dem anderen Schädiger zuzumuten war (Urt. v. 25.07.2017, Az. 9 U 148/15).
Sachverhalt
Die Klägerin begehrt von dem beklagten Notar Schadensersatz wegen einer Verletzung von § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a.F. bei der Beurkundung eines Kaufvertrages über eine Eigentumswohnung. Nachdem die Klägerin feststellte, dass die von der Vermittlerin bei der Vertragsanbahnung in Aussicht gestellten Steuervorteile nicht in der erwarteten Höhe eingetreten waren und sie nach deren Vortrag über die mit dem Kauf der Wohnung verbundene finanzielle Belastung und über deren Wert betrügerisch getäuscht worden waren, nahm die Klägerin zunächst die Bank, welche den Immobilienerwerb durch ein Darlehen finanzierte gerichtlich auf Schadensersatz in Anspruch. Der Rechtsstreit endete durch einen Vergleich, in dem die Bank auf 40% der offenen Restschuld aus dem Darlehensvertrag verzichtete, die Annuität auf monatlich € 500,00 angepasst und weitere Ansprüche der Klägerin ausgeschlossen wurden. Das Landgericht hatte die Klage gegen den Notar abgewiesen, und zwar mit der Begründung, dass es an einem kausalen Schaden unabhängig von einer Amtspflichtverletzung des Beklagten fehle und der Schadensersatzanspruch verjährt sei. Die Berufung der Klägerin hat im Ergebnis in der Sache keinen Erfolg.
Entscheidung
Das KG Berlin hat festgestellt, dass ein Notarhaftungsanspruch der Klägerin jedenfalls wegen Versäumung einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO ausgeschlossen ist. Im Fall einer fahrlässigen Amtspflichtverletzung des Notars im Zusammenhang mit einer Beurkundungstätigkeit ist ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten nach dieser Vorschrift ausgeschlossen, wenn der Geschädigte auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag, wobei es dem Vorliegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit gleichsteht, wenn der Geschädigte eine früher bestehende Möglichkeit, Ersatz seines Schadens von einem Dritten zu erlangen, schuldhaft versäumt hat. Schuldhaft ist die Versäumung einer Ersatzmöglichkeit, wenn der Geschädigte die mögliche und ihm nach den Umständen des Falls zuzumutende anderweite Deckung seines Schadens unterlassen hat. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Geschädigte in einem mit einem anderen Schädiger abgeschlossenen Vergleich auf Schadensersatzansprüche verzichtet, obwohl ihm die weitere Rechtsverfolgung gegenüber dem anderen Schädiger zuzumuten war. Verzichtet der Geschädigte gegenüber dem Dritten im Vergleichswege ganz oder teilweise auf seinen Anspruch, ist diese Versäumung einer Ersatzmöglichkeit gegenüber dem Notar in aller Regel schuldhaft. Auch wenn diese anderweitige Ersatzmöglichkeit im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Notars wegen des geschlossenen gerichtlichen Vergleichs nicht mehr durchsetzbar ist, hat die Klägerin nicht widerlegt, dass sie diese früher gegebene anderweitige Möglichkeit, über den Vergleichsbetrag hinaus in voller Höhe Ersatz zu erlangen, schuldhaft versäumt hat. Hierbei ist zu beachten, dass der als anderweitige Ersatzmöglichkeit in Betracht kommende Schadenersatzanspruch im Notarhaftungsprozess nicht inzident geprüft und positiv festgestellt werden muss. Es ist vielmehr Sache des klagenden Geschädigten, eine in Betracht kommende Ersatzmöglichkeit – ggf. als unzumutbar – auszuschließen. Insoweit trägt er die Darlegungs- und Beweislast. Zwar braucht ein Geschädigter weitläufige, unsichere und im Ergebnis zweifelhafte Wege nicht einzuschlagen. So besteht eine zumutbare andere Ersatzmöglichkeit dann nicht, wenn eine Klage des Geschädigten gegen einen angeblich ersatzpflichtigen Dritten wegen Beweisschwierigkeit abgewiesen werden müsste. Dies hat das Gericht in dem von ihm entschiedenen Fall jedoch nicht festgestellt. Eine Inanspruchnahme der Bank bot rechtlich wie wirtschaftlich begründete Aussicht auf Erfolg und war der Klägerin daher zumutbar. Selbst wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Rechtsstreit gegen den Dritten auch zulasten des Geschädigten ausgehen könnte, macht dieser Umstand die Durchführung des Rechtsstreits gegen den Dritten nicht unzumutbar. Einen aussichtsreichen Prozess gegen den Dritten, der vorrangig für den Schaden einzustehen hat, hat der Geschädigte grundsätzlich zu führen. Dies gilt selbst dann, wenn sich ein solcher Prozess in die Länge zieht.
Fazit
Notarregressfälle wegen Verletzung des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a.F. beschäftigen auch weiterhin die Gerichte (siehe auch OLG Hamm, Urt. v. 29.03.2017, Az. 11 U 73/16), was darauf zurückzuführen sein dürfte, dass die Inanspruchnahme des Notars oft erst Jahre nach dem Beurkundungsvorgang erfolgt. Die in dieser Hinsicht in der jüngeren Vergangenheit ergangenen Entscheidungen zeigen, dass die Frage der Amtspflichtverletzung eher weniger im Vordergrund steht als Schadens- und Kausalitätsfragen sowie die Frage nach anderweitigen Ersatzmöglichkeiten des Geschädigten, die eine Haftung des in Anspruch genommenen Notars ausschließen können. Deshalb sind in diesen Fällen nicht nur der Ablauf des Beurkundungsvorgangs selbst, sondern auch die Geschehnisse vor und nach dem eigentlichen Beurkundungsvorgang sorgfältig aufzuklären und zu würdigen, weil diese häufig der entscheidende Grund sein können, dass eine Haftung des Notars trotz Amtspflichtverletzung nicht gegeben ist.
Dr. Matthias Achenbach