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Apr
Pflichtwidrige Zahlungen nach Insolvenzreife: Arbeits- und andere Dienstleistungen sind kein Ausgleich der Masseschmälerung
In Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung zur Haftung des Geschäftsführers für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife der GmbH hat der BGH in einem Urteil vom 04.07.2017 nunmehr klarstellend geklärt, dass Arbeits- und sonstige Dienstleistungen nicht geeignet sind, masseschmälernde Zahlungen auszugleichen (II ZR 319/15).
Sachverhalt
Der Kläger war Insolvenzverwalter über das Vermögen einer private company Limited by shares nach englischem Recht mit einer Niederlassung in Deutschland. Der Beklagte war deren Director. Der Kläger behauptete die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und verlangte u.a. die Erstattung von Zahlungen vom Geschäftskonto und aus der Barkasse für Energie, Wasser und Kaffeeautomatenservice sowie für Dienstleistungen der Telekommunikation, des Internets und des Kabelfernsehens und Gehälter.
Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht bestätigte nur teilweise die erstinstanzliche Entscheidung und wies die Klage betreffend die Zahlungen für den Bezug von Energie, Wasser und Kaffeeautomatenservice sowie Dienstleistungen der Telekommunikation, des Internets und des Kabelfernsehens mangels Masseschmälerung ab. Auch die (verspäteten) Gehaltszahlungen seien nicht ausgleichspflichtig, sondern als Bargeschäft anzusehen, wenn diese – wie vorliegend – den Kriterien eines Bargeschäfts genügten, mithin einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Entgeltzahlung und Arbeitsleistung aufwiesen. Die Revision führte zur Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.
Entscheidung
Die Ersatzpflicht des Geschäftsführers für Zahlungen nach Insolvenzreife gemäß § 64 Satz 1 GmbH entfällt, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird. Durch den Ausgleich entfällt der aufgrund der Zahlung bestehende Anspruch gegen den Geschäftsführer, denn soweit und sobald eine Masseschmälerung mit oder ohne Zutun des Geschäftsführers ausgeglichen wird, ist der Zweck von § 64 Satz 1 GmbHG, im Interesse der Gläubiger die Masse zu erhalten, erreicht. Es ist nach Ansicht des BGH jedoch nicht jeder beliebige weitere Massezufluss als Ausgleich dieser Masseschmälerung zu berücksichtigen. Vielmehr ist ein unmittelbarer wirtschaftlicher, nicht notwendig zeitlicher Zusammenhang mit der Zahlung erforderlich, damit der Massezufluss der an und für sich erstattungspflichtigen Masseschmälerung zugeordnet werden kann. Unter der Voraussetzung, dass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, kommt als Zufluss, der die Masseschmälerung ausgleicht, auch in Betracht, dass für die Zahlung ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist.
Dies ist aber weder bei Arbeits- noch bei sonstigen Dienstleistungen der Fall. Bei der Zahlung von Gehältern wird die ab Insolvenzreife den Gläubigern zur Verwertung zur Verfügung stehende Masse verkürzt um diese Masseverkürzung ausgleichen zu können, muss auch die in die Masse gelangen die Gegenleistung für eine Verwertung durch die Gläubiger geeignet sein, was jedoch bei Arbeits-oder Dienstleistungen regelmäßig nicht der Fall ist. Diese führen mithin nicht zu einer Erhöhung der Aktivmasse sind damit kein Ausgleich des Masseabflusses. Gleiches gilt, so der BGH, auch für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife betreffend Energieversorgungs- und Telekommunikationsdienstleistungen sowie Entgelt für Internet und Kabelfernsehen. Auch diese erhöhen nicht verwertbare Aktivmasse und sind damit kein Ausgleich der Masseschmälerung durch die Zahlung. Anderes gilt auch nicht, wenn diese Gegenleistungen mit Materiallieferungen verbunden waren, jedenfalls soweit diese typischerweise zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt sind. Geringwertige Verbrauchsgüter sind damit nach Ansicht des BGH gleichfalls nicht für einen Ausgleich geeignet.
Fazit
Mit dieser Entscheidung verschärft der BGH erneut die Haftung der Geschäftsführer für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife. Selbst Zahlungen für Energieversorgungs- und Telekommunikationsleistungen begründen damit eine Masseminderung, ohne dass zugleich ein werthaltiger Ausgleich angenommen werden kann. Allerdings besteht insoweit für den in Anspruch genommenen Geschäftsführer die Möglichkeit, darzulegen und zu beweisen, dass diese Zahlungen (während der Dreiwochenfrist) durch die Insolvenzschuldnerin erforderlich waren, um einen sofortigen Zusammenbruch eines auch in der Insolvenz sanierungsfähigen Unternehmens zu verhindern, mithin die Zahlung nach § 64 Satz 2 GmbHG zur Abwendung eines größeren Schadens für die Gläubiger entschuldigt wäre. Hierfür bedarf es allerdings einer realistischen Sanierungschance.
Ulrike Müller